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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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gerade verschönern ließ. Dann wandte er sich wieder um.
    »Surya«, begann Surekha, »deine Tochter hat einen Gast.«
    »Ich kann mich an ihn erinnern«, erwiderte Surya.
    Surekha runzelte die Stirn. »Versuche, freundlich zu sein, mein Lieber. Sie haben ein Gelübde abgelegt.«
    »Bei dem wir beide nicht zugegen waren«, gab er zurück.
    Thomas versuchte, sich von Suryas Wut nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Priya wirkte dagegen weitaus weniger ruhig. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Warum sind Sie nach Bombay gekommen?«, fragte Surya.
    Eine ganze Flut von Gedanken schoss Thomas durch den Kopf, aber nur eine einzige Antwort schien ihm passend. »Ihre Tochter trägt meinen Ring.«
    »Gegen meinen ausdrücklichen Wunsch«, erwiderte Surya gereizt.
    »Sie hat mir ihre Hand gegeben.« Thomas spürte, wie ihm unter seinem Hemdkragen heiß wurde.
    »Ihre Moralvorstellungen verwirren mich«, gab ihm der Professor zur Antwort. »Erst missbrauchen Sie mein Vertrauen und reißen meine Tochter aus ihrer Familie heraus, und hinterher versuchen Sie es zu rechtfertigen. So ist das im Westen. Die Jungen haben keinen Respekt vor den Älteren.«
    »Ich habe versucht, der Familie Respekt zu zollen«, entgegnete Thomas. »Ich habe Sie um Erlaubnis gebeten. Aber Sie haben sie mir verweigert. Was hätte ich tun sollen?«
    Surya funkelte ihn an, und er ballte die Fäuste. »Was für eine kindische Frage! Sie hätten in Ihr Leben nach Amerika zurückkehren und meine Tochter in Ruhe lassen sollen.«
    »Baba«, flüsterte Priya. » Bitte . Lass es gut sein.«
    Surya drehte sich zu seiner Tochter um. Als er den Schmerz in ihren Augen sah, entspannten sich seine Fäuste. Er wandte sich wieder Thomas zu, auf der Suche nach einem Ziel für seinen Zorn.
    »Sie können sich doch gar nicht vorstellen, was es für mich und Surekha bedeutet, dass Priya keine richtige Hochzeit hatte. Sie können sich nicht vorstellen, wie es für uns war, als sie ein Kind bekam und wir keine Möglichkeit hatten, ihre neugeborene Tochter auf den Arm zu nehmen.« Surya versagte die Stimme. »Oder sie noch einmal zu halten, bevor sie starb.«
    Zum ersten Mal konnte Thomas Suryas Schmerz wirklich nachempfinden. Widerstreitende Gedanken kamen ihm in den Sinn. Zuerst dachte er: Es ist seine eigene Schuld, dass er nicht da war. Dann aber sagte er sich: Er versucht nur, mit dem Schmerz fertigzuwerden. Thomas verzichtete auf eine Antwort.
    Wieder wandte der Professor sich um und lehnte sich gegen das Geländer, wobei er dieses Mal die Arme verschränkte. »Sind Sie hier, um Priya wieder mit nach Amerika zu nehmen?«
    Thomas schüttelte den Kopf. »Ich bin nach Bombay gekommen, um hier zu arbeiten.«
    Surya sah ihn unverwandt an. »Und was genau tun Sie hier?«
    »Ich arbeite für eine gemeinnützige Organisation, die versucht, etwas gegen die Zustände in den Rotlichtbezirken zu unternehmen.«
    »Ah«, rief er aus, »schon wieder einer aus dem Westen, der sich einbildet, er könnte alles in Ordnung bringen, was in Indien im Argen liegt. Mein Freund, Sie sind weder der Erste noch der Letzte, der glaubt, die Bürde des weißen Mannes tragen zu müssen.«
    Inzwischen kochte Thomas innerlich. Mit dem Vorwurf, ihnen Priya weggenommen zu haben, konnte er umgehen, aber dass er nun auch noch als Rassist hingestellt wurde, war einfach zu viel. Er überlegte, ob er einfach gehen sollte, war sich jedoch im Klaren darüber, dass das einer Kapitulation gleichkäme.
    »Was hier im Argen liegt, liegt überall auf der Welt im Argen«, konterte er.
    Surya musterte Thomas wortlos. Sein Blick war schwer zu deuten. »Haben Sie denn das Gefühl, mit der Arbeit, die Sie da machen, etwas zu bewirken?«
    »In der Nacht von Montag auf Dienstag haben wir der Polizei von Nagpada dabei geholfen, ein Bordell hochzunehmen.«
    Surya schüttelte den Kopf. »Bordelle wird es immer geben.«
    So schnell ließ sich Thomas nicht aus dem Konzept bringen. »Wir haben eine Minderjährige gerettet.«
    Surya schwieg einen Moment. »Schön für euch.« Sein Blick wanderte hinüber zu den Männern, die er allein gelassen hatte. »Ihr müsst entschuldigen, aber meine Freunde warten auf mich.« Er küsste seine Tochter auf die Stirn. Dem Blick seiner Frau wich er bewusst aus.
    Thomas sah dem Professor einen Moment nach, ehe er sich Priya zuwandte. Mühsam versuchte er seinen Zorn im Zaum zu halten. Priya starrte zu Boden. Surekha strich ihr über die Wange und bedachte Thomas mit einem Blick, der so

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