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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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versuchte, den ständigen Niesreiz zu unterdrücken, sich möglichst aufrecht zu halten und ihre Krankheit still zu erdulden, ohne dass jemand etwas davon merkte. Aber ihr Körper ließ sie im Stich: Irgendwann nach Mittag wurde sie ohnmächtig. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wer sie gefunden hatte, doch als sie wieder aufwachte, lag sie in der Wohnung auf der Couch und hatte ein Kissen unter dem Kopf. Ein indisches Mädchen saß neben ihr und reichte ihr ein Glas Wasser.
    »Hier«, sagte sie auf Hindi, »du musst etwas trinken.«
    Sita griff nach dem Glas und stürzte das Wasser gierig hinunter. Sie hatte das Gefühl, auf einer Wolke zu schweben.
    »Ich bin Varuni«, stellte das Mädchen sich vor. »Ich arbeite im Restaurant.«
    »Ich bin Sita.« Erneut lief ein Schauder durch ihren Körper.
    Varuni breitete eine Wolldecke über sie. »Und woher kommst du?«
    »Aus Chennai.« Sita versucht sich aufzusetzen.
    »Halt, immer mit der Ruhe. Du gehst heute nirgendwo mehr hin.«
    Sita verzog das Gesicht und ließ sich zurück aufs Kissen sinken. Ein Schauder nach dem anderen jagte durch ihren Körper, doch ihre Haut fühlte sich heiß an.
    »Du musst dich ausruhen«, sagte Varuni. »Onkel hat gesagt, ich soll mich um dich kümmern.«
    Sita schloss die Augen und schlief wieder ein.
    Als sie aufwachte, war das Fenster zum Hof dunkel und Varuni verschwunden. Neben der Couch stand ein Glas Wasser auf dem Boden. Durstig trank Sita es aus und lauschte dann dem geschäftigen Treiben jenseits der Wand, wo sich die Küche befand.
    Sie dachte an Varuni. Das Mädchen hatte offenbar nichts damit zu tun, dass man sie, Sita, hier gefangen hielt. Was für eine Geschichte Tante- ji sich wohl ausgedacht hatte, um ihre Anwesenheit im Haushalt zu erklären? Sita fragte sich, ob es in dieser Stadt des endlosen Winters noch andere Mädchen wie sie gab – Mädchen, die gegen ihren Willen festgehalten und gezwungen wurden zu arbeiten, bis sie vor Erschöpfung oder Krankheit zusammenbrachen. Navin hatte erwähnt, dass es vor ihr schon andere gegeben habe. Was war aus ihnen geworden? Und was hatte er mit den Drogen gemacht, die sie aus Bombay hertransportiert hatte?
    Nach einer Weile verfiel sie in eine Art Delirium, aus dem sie nur einmal kurz hochschreckte, als die Familie das Restaurant abschloss und sich für die Nacht zurückzog. Tante- ji würdigte sie keines Blickes, und Shyam blieb in sicherer Entfernung. Zu Sitas Überraschung war es Onkel- ji , der ihr Wasserglas wieder füllte und sie fragte, ob sie Hunger habe. Als sie den Kopf schüttelte, breitete er eine weitere Decke über sie.
    »Schlaf gut«, sagte er. »Wenn du dich wieder erholt hast, werden wir besser auf deine Gesundheit achtgeben.«
    Nachdem Sita ihr Fieber überstanden hatte, wurde der Winter noch grimmiger. Onkel- ji hielt sein Versprechen, indem er ihr Arbeitspensum kürzte und ihr gestattete, in der Wohnung auf der Couch zu schlafen. Tagsüber musste sie weiterhin einen grausamen Zeitplan einhalten, aber zumindest durfte sie nun jeweils vor dem Frühstück ein zehnminütiges Bad nehmen und sich an den Resten aus dem Restaurant sattessen. Onkel- ji befahl seiner Frau, Sita zwei Saris zu kaufen, woraufhin ihr Tante- ji – wenn auch widerwillig – gestattete, sie bei der Familienwäsche mitzuwaschen.
    Immer wenn Tante- ji morgens zum Markt ging, besuchte Shyam Sita in der Küche und zeigte ihr seine Besitztümer. Einmal brachte er eine kleine Videospielkonsole mit und weihte sie in Tetris ein. Ein anderes Mal hatte er eine Bollywood-Zeitschrift mit einem großen Bild von Amitabh Bachchan dabei und ließ sich des Langen und Breiten über den berühmten Schauspieler aus.
    Am nächsten Tag schenkte er Sita eine gelbe Ringelblume. Spontan ließ Sita sich neben ihm nieder und erzählte ihm von den Gärten ihrer Familie an der Koromandelküste und von Jayas Kolam -Mustern. Shyam lauschte aufmerksam und stellte ihr dann eine Frage, die sie bestürzte.
    »Wenn du so ein schönes Zuhause in Indien hattest, warum bist du dann hier?«
    Sie betrachtete ihn einen langen Moment, bis ihr klar wurde, dass er von ihrer schlimmen Situation keine Ahnung hatte.
    »Was glaubst du denn?«, fragte sie zurück.
    »Meine Mutter hat gesagt, du hättest Arbeit gebraucht, weil du keine Familie mehr hast.«
    Sie rang nach Luft und faltete die Hände. »Das mit meiner Familie stimmt«, räumte sie ein. Dabei war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Nur meine Schwester lebt noch.«
    »Wo

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