Du bist in meiner Hand
sagte er. »Du hast ihr von mir erzählt?«
»Als ich am Mittwoch nach Hause gekommen bin, hat sie mich gefragt, wo ich war. Und ich konnte sie nicht anlügen.«
»Und?«
»Sie hatte nie etwas gegen dich, Thomas. Sie möchte nur, dass ich glücklich bin.«
»Dann muss ich also nur deinen Vater überzeugen.«
Sie schüttelte den Kopf und sah ihm in die Augen. »Nein. Du musst nur mich überzeugen.«
Er zögerte. »Warum sind wir dann hier?«
Als er den Schmerz in ihren Augen sah, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hob entschuldigend beide Hände und setzte zu einer Bemerkung an, doch sie kam ihm zuvor.
»Diese Menschen sind ein Teil von mir. Zwischen uns beiden kann sich nur etwas ändern, wenn wir sie von Anfang an mit einbeziehen.«
»Da hast du natürlich recht. Ich habe das nicht so gemeint, wie es rübergekommen ist.«
Sie musterte ihn derart eindringlich, dass er sich schon fragte, ob sie ihn gleich zurück zum Tor begleiten würde. Dann lächelte sie wieder, und der kritische Moment war vorüber.
Thomas folgte ihr auf einem gewundenen Pfad durch den Garten. Sie betraten die Rasenfläche und steuerten auf den Pavillon zu, wo Surekha Patel auf einem Kissen saß und mit ihren Nachbarn plauderte. Sie trug einen violetten Sari und hatte ihr Haar zu einem eleganten Knoten hochgesteckt. Als sie Priya und Thomas kommen sah, entschuldigte sie sich.
»Priya, meine Liebe«, sagte sie mit starkem Akzent auf Englisch, während sie nach der Hand ihrer Tochter griff und mit ihr zu einem Tamarindenbaum am Rand der Rasenfläche spazierte, »ist die Musik nicht wunderschön?«
»Das ist sie, Mama«, antwortete Priya ein wenig verhalten, »und Lila auch.«
»Sie gibt eine sehr schöne Braut ab.« Mit unergründlicher Miene wandte Surekha sich an Thomas. »Willkommen in Bombay. Wie finden Sie die Stadt?«
»In jeder Hinsicht faszinierend.« Er versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
»Das ist vermutlich als Kompliment gedacht.« Surekha sah ihre Tochter an und dann wieder ihn. »Ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie mir Priya weggenommen haben. Es war ihre Entscheidung, und ich habe immer versucht, sie zu verstehen. Trotzdem freuen wir uns, sie wieder bei uns zu haben.«
Thomas ging in die Offensive, wobei er sich gleichzeitig sehr mutig und sehr feige fühlte. »Das kann ich gut verstehen, Mrs. Patel. Vor sechs Jahren bin ich nach England gereist, um bei Ihrem Mann um Priyas Hand anzuhalten. Obwohl er sehr liebenswürdig war, verweigerte er mir seinen Segen. Ich hätte ihn dazu bringen sollen, ihn mir doch noch zu geben.«
»Das wäre Ihnen aber nicht gelungen«, entgegnete Surekha. »Sie waren nicht das, was er sich für seine Tochter wünschte. Sie hätten ihn damals auf keinen Fall umstimmen können.«
»Und jetzt?«
Sie wandte den Blick ab. »Seine Mutter liegt im Sterben. Vielleicht sieht er es inzwischen anders.«
»Wenn er mir eine Chance gibt, werde ich mir seinen Respekt verdienen.«
Surekha nickte. »Ein sehr lobenswertes Ziel, aber Ihnen muss klar sein, was Sie sich da vornehmen. Er war immer ein Idealist. Als Priya noch ein Mädchen war, hat er mal zu mir gesagt, ihr zukünftiger Ehemann müsse einen Charakter wie Rama haben. Im Hinduismus ist Rama ein Mann ohne jede Schuld.«
»Ja«, antwortete Thomas, »aber selbst Rama hat Sitas Treue grundlos infrage gestellt.«
»Das stimmt.« Surekha wirkte beeindruckt. »Priya hat mir schon erzählt, dass Sie unsere Geschichten kennen.«
»Nicht so gut, wie ich sie gern kennen würde.«
»Es ist zumindest ein Anfang.« Surekha wandte sich wieder in seine Richtung. »Kommen Sie, ich bringe Sie zu ihm.«
Während sie auf die Terrasse zusteuerten, wechselte Thomas einen Blick mit Priya. Sie stiegen die Stufen zur Veranda hinauf und wandten sich zu einer Gruppe von Männern unterschiedlichen Alters. Ein paar von den Älteren trugen traditionelle Sherwanis – lange bestickte Mäntel mit dazu passenden Hosen –, der Rest westliche Anzüge. Surya stand in der Mitte. Sein vornehmes, von silbrigem Haar umrahmtes Gesicht leuchtete im Licht der Kerzen. Alle Anwesenden lauschten gebannt seinen Worten.
Surekha blieb am Rand stehen und wartete, bis ihr Mann sie schließlich bemerkte.
»Entschuldigt mich, meine Freunde«, sagte er und trat aus dem Kreis.
Er sah Priya an. Als sein Blick auf Thomas fiel, erstarrte er. Wortlos trat er an das steinerne Geländer und sah einen Moment zu dem Mendhi -Zelt hinüber, wo Lila sich
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