Du bist in meiner Hand
gewesen wäre? Hätte er auch ohne dieses Erlebnis mit Andrew gesprochen und von der freien Praktikantenstelle in Bombay erfahren? Wäre er trotzdem nach Indien gekommen, um den Versuch zu unternehmen, sich mit Priya zu versöhnen?
Im Büro tat sich während dieser Wochen eine ganze Menge. CASE führte zwei weitere Razzien durch und rettete insgesamt vierzehn minderjährige Mädchen. Die zweite Razzia, die einer Bierkneipe in einer Vorstadt im Nordosten galt, wäre beinahe an einer undichten Stelle gescheitert, die zweifellos in den Reihen der Polizei zu suchen war. Ein Außendienstmitarbeiter, der gerade vor Ort war, bekam zufällig mit, wie die Mädchen eine Stunde vor dem Einsatz verlegt wurden, woraufhin Greer in letzter Minute eine Änderung des Durchsuchungsbeschlusses beantragte, sodass er auch für den neuen Aufenthaltsort der Mädchen galt.
Thomas war beeindruckt von der für ihn neuen Vorgehensweise bei dem Coup. Die CASE -Einsatzleute hatten mit den Zuhältern Verbindung aufgenommen und eine private Sexparty für drei Männer vereinbart. Ihr Angebot, für noch minderjährige Mädchen einen Aufpreis zu zahlen, hatte die Zuhälter dazu bewogen, ihre jüngsten Mädchen aufzubieten. Die Polizei verhaftete die Straftäter in einem Chawl neben der Kneipe und übergab zehn minderjährige Mädchen in die Obhut des Jugendamtes. Diese Rettungsaktion stellte den bisher spektakulärsten Einsatz des CASE -Büros in Bombay dar und schlug Wellen bis in die Zentrale in Washington.
Thomas verbrachte seine Tage damit, Fälle vorzubereiten, die im Frühling zur Verhandlung kommen sollten. Nebenbei feilte er weiter an seinem Jogeshwari-Antrag. Der Richter hatte den Fall auf Bitten der Verteidigung erneut vertagt, worüber Thomas gleichzeitig entrüstet und froh war. Einerseits bedeutete es, dass der Richter auf der Seite des Zuhälters stand, aber andererseits verschaffte es ihm, Thomas, ein wenig mehr Zeit, um weiter an seiner juristischen Argumentation zu feilen. Als er den Antrag schließlich bei Samantha einreichte, war sie voll des Lobes.
»Das ist das Beste, was ich hier seit fünf Jahren zu sehen bekommen habe«, verkündete sie. »Da hast du dich aber mächtig ins Zeug gelegt.« Inzwischen waren sie alle zum Du übergegangen.
»Ich weiß, dass es nicht gut ist, sich mit einem Fall zu identifizieren«, erklärte er, »aber diesen Mistkerl würde ich wirklich gern am Boden sehen.«
Samantha funkelte ihn an. »Wer weiß, vielleicht wird dir dein Wunsch ja erfüllt.«
Zu den Barmherzigen Schwestern fuhr Thomas nicht mehr. Er schob es darauf, dass er zu viel zu tun hatte, aber in Wirklichkeit wusste er einfach nicht, was er Ahalya sagen sollte. Anita berichtete ihm, dass das Mädchen bei jedem ihrer Besuche ausdrücklich nach ihm fragte.
»Sie hat dich ins Herz geschlossen«, sagte Anita eines Nachmittags zu ihm.
»Sie kennt mich doch kaum«, entgegnete er.
»Sie kennt dich gut genug. Außerdem gibt es hier in der Gegend nicht allzu viele Typen mit Beziehungen ins amerikanische Justizministerium.«
Er seufzte. »Ich nehme an, du hast ihr gesagt, dass ich Sitas Foto weitergeleitet habe.«
Anita nickte. »Ja.«
»Was erwartet sie noch von mir?«
»Keine Ahnung. Du bist derjenige, der versprochen hat, es zu versuchen.«
Zwei Abende in der Woche verbrachte er mit Priya. Oft traf sie sich mit ihm, wenn er mit seinen Kollegen von CASE im Sheesha zu Abend aß, einem iranischen Restaurant in der Linking Road, das eine schöne Dachterrasse hatte, oder im Out of the Blue, einem gehobenen Restaurant in Pali Hill. Thomas wunderte es gar nicht, dass sie besonders seine im Ausland lebenden Landsleute ins Herz schloss. Deren wohlmeinende Umtriebigkeit und staunender Blick auf die Welt bildeten einen erfrischenden Kontrast zu der lähmenden Mischung aus Zynismus und Lebensüberdruss, an der so viele seiner Freunde zu Hause litten.
Während der Februar ins Land zog, wurde es von Tag zu Tag heißer. Gegen seinen Willen musste Thomas oft an Ahalya und das Rakhi -Armband denken. Jeff Greer stimmte zu, dass er sich mit dem CBI in Verbindung setzte, doch jedes Mal, wenn Thomas dort anrief, bekam er eine entmutigende Auskunft. Einmal stellte der mit dem Fall betraute Beamte Thomas sogar zu seinem Vorgesetzten durch, der ihm versicherte, dass sie einfach nicht mehr machen könnten.
Im Anschluss an das Gespräch betrachtete Thomas das Band an seinem Handgelenk. Es gab viele Momente, in denen er sich wünschte, er könnte es
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