Du bist nie allein
Wochenende zum Strand hinausfuhr.
Was Julie wohl gerade machte? Duschen? Frühstücken? Dachte sie wohl so oft an ihn, wie er an sie? Lächelnd warf er ein paar Münzen in den Zeitungsautomaten vor dem Kiosk.
Kurz darauf begab er sich in einen ganz bestimmten kleinen Park, wo er sich auf einer Bank beim Spielplatz niederließ und die Zeitung aufschlug. Sein Bild prangte auf der ersten Seite, und er las aufmerksam den dazugehörenden Artikel. Bis auf ein paar vage Informationen enthielt er nicht viel Wichtiges – gewiss hatte der Reporter seine Auskünfte direkt von der Polizei –, nannte jedoch eine Hotline, wo man sachdienliche Hinweise loswerden konnte. Danach überflog Richard den Rest der Zeitung, um zu sehen, ob etwas von dem gestohlenen Wagen darin stand. Nichts. Dann kehrte er wieder zu dem Artikel zurück. Während er las, hob er immer mal wieder den Blick.
Falls nötig, würde er den ganzen Tag warten. Er wusste, auf wen er es abgesehen hatte, wer ihn zu Julie und Mike führen würde.
Pete kam auf Jennifers Schreibtisch zu, und sie fand, dass er in etwa so müde aussah, wie sie sich fühlte.
»Irgendetwas Neues?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Gähnen.
»Wieder blinder Alarm. Und bei Ihnen?«
»Nicht viel. Es hat noch eine Kellnerin vom Mosquito Grove angerufen, die sich erinnert, Andrea und Richard dort gesehen zu haben. Das Krankenhaus in Wilmington hat sich auch gemeldet. Andrea ist noch nicht über den Berg, aber die Ärzte sind ganz hoffnungsvoll.«
Sie hielt inne. »Was ich schon heute Morgen fragen wollte – haben Sie eigentlich mal mit dem Detektiv oder mit Julies Mutter gesprochen?«
»Noch nicht.«
»Wie wär’s, wenn Sie mir die Nummern geben und sich erst mal einen Kaffee holen? Ich werde bei den beiden mal nachhaken.«
»Wieso? Wir wissen doch schon, warum Richard dort war.«
»Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.«
Jennifer erreichte Julies Mutter, aber Pete hatte ausnahmsweise einmal Recht. Der Anruf ergab nichts Neues. Ja, berichtet die Mutter, ein Mann, wie er sagte, ein alter Freund von Julie, sei bei ihr gewesen. Eine Woche später sei er wiedergekommen, diesmal mit einem Freund. Der Freund entsprach der Beschreibung des Verdächtigen.
Unter der Nummer des Privatdetektivs erreichte Jennifer abermals niemanden.
Und immer noch keine Nachricht wegen der Fingerabdrücke.
Ohne neue Hinweise waren sie so weit wie zuvor, und das frustrierte Jennifer. War Richard noch in der Stadt? Sie wusste es nicht. Was würde er als Nächstes tun? Sie wusste es nicht. War er immer noch hinter Julie her? Anzunehmen, aber ganz sicher war sie nicht. Möglich war schließlich auch, dass er, da die Polizei hinter ihm her war, die Stadt längst verlassen hatte und untergetaucht war, wie früher schon einmal.
Das Problem bestand darin, dass er zu Richard Franklin geworden war. In seinem Haus befanden sich kaum persönliche Habseligkeiten, abgesehen von seiner Kleidung, seinen Kameras und den Fotos. Und die Fotos verrieten ihr nichts, außer dass er ein guter Fotograf war. Sie konnten überall und zu jeder Zeit entstanden sein, und weil Richard sie selbst entwickelte, ließen sie sich auch nicht zu einem Fotolabor zurückverfolgen…
Jennifers Überlegungen stockten jäh.
Überall, zu jeder Zeit?
Ein guter Fotograf?
Teure Kameraausrüstung?
Eine eigene Dunkelkammer, um die Bilder selbst zu entwickeln?
Das ist mehr als nur ein kurzfristiges Hobby, dachte sie. Aber was weiter? Sie starrte auf den Stapel Fotos auf ihrem Tisch. Er fotografiert schon lange. Seit Jahren vermutlich. Und das bedeutet…
Er hatte die Kameras möglicherweise schon benutzt, bevor er zu dem Mann namens Richard Franklin wurde.
»Pete!«, rief Jennifer unvermittelt, »sind seine Kameras schon in der Asservatenkammer oder noch bei der Spurensicherung?«
»Die von Franklin? Die haben wir gestern in die Asservatenkammer gebracht…«
Jennifer sprang von ihrem Stuhl hoch und machte sich auf den Weg.
»Wo wollen Sie hin?«
»Ich glaube, ich weiß, wie wir herausfinden können, wer der Kerl ist.«
Pete überlegte nicht lange. Doch er hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten, während sie durchs Revier eilte.
»Worum geht’s?«, fragte Pete.
Jennifer quittierte am Tresen mit einer Unterschrift den Erhalt der Fotoausrüstung, beäugt von dem Beamten, der für die Asservatenverwaltung zuständig war.
»Die Kameras und die Objektive, kurz, der ganze Kram ist richtig teuer, nicht wahr?«,
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