Du bist nie allein
gehen. Glaub mir, ich wär der Erste, der dir beim Packen hilft.«
Henry lehnte sich zurück. »Ach, nun komm, ich amüsier mich doch nur ein bisschen.«
»Ja – auf meine Kosten.«
Henry hob mit Unschuldsmiene die Hände. »Du bist der Einzige in meiner Nähe. Auf wem soll ich denn sonst rumhacken?«
Mike funkelte ihn an und wandte sich dann ab.
»Okay… tut mir Leid«, sagte Henry. »Aber hör zu – ich sag es noch einmal: Bloß, weil sie mit Richard aus ist, heißt das nicht, dass deine Chancen für immer dahin sind. Sieh es als Herausforderung, statt Trübsal zu blasen. Vielleicht sollte dich das anspornen, sie um ein Date zu bitten.«
»Das hatte ich ja vor.«
»Wirklich?«
»Ja. Nach unserem Gespräch am Montag habe ich beschlossen, genau deinem Rat zu folgen. Heute Abend sollte es passieren.«
Henry musterte ihn. »Gut«, sagte er endlich, »ich bin stolz auf dich.«
Mike wartete, aber Henry schwieg.
»Hey, keine Witze diesmal?«
»Kein Grund, Witze zu machen.«
»Weil du mir nicht glaubst?«
»Ich glaube dir. Muss ich ja wohl.«
»Warum?«
»Weil ich in den Genuss kommen werde, dir dabei zuzusehen.«
»Hä?«
»Die Götter sind mit dir, Brüderchen.« »Was zum Teufel redest du da?«
Henry deutete mit dem Kinn Richtung Tür. »Rate mal, wer eben reingekommen ist?«
Richard stand neben Julie an der Tür. Sie verrenkte sich den Hals, um einen freien Platz ausfindig zu machen. »Hätte nicht gedacht, dass es so voll ist«, schrie Richard über den Lärm hinweg. »Willst du wirklich hier bleiben?«
»Na komm – es wird bestimmt lustig. Wirst schon sehen.«
Obwohl er kurz zustimmend lächelte, hatte Richard so seine Zweifel. Der Laden kam ihm vor wie eine Zuflucht für Leute, die ihre Probleme mit Alkohol runterspülten. Oder für Leute, die auf Zufallsbekanntschaften aus waren. Julie gehörte ebenso wenig in einen solchen Laden wie er.
Auf der Bühne hatte die Band ein neues Stück begonnen, und es kam Bewegung in die Leute, die der Tanzfläche zustrebten, während andere aussetzten. Richard neigte sich dicht an Julies Ohr, sie konnte seinen Atem spüren. »Besorgen wir uns erst was zu trinken«, sagte er, »bevor wir uns irgendwo hinsetzen.«
Julie nickte. »Gut. Geh du vor. Die Theke ist gleich da vorn.«
Während sich Richard durch die Menge zu drängen begann, hielt er Julie hinter seinem Rücken die Hand hin. Sie griff ohne Zögern danach. An der Theke angekommen, ließ er sie nicht los und hob die andere Hand, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen.
»Das ist er also, hm?«, fragte Emma.
Emma war achtunddreißig und eine Blondine mit grünen Augen und sonnigem Gemüt, was den Umstand, dass sie nicht unbedingt im klassischen Sinne hübsch war, mehr als aufwog. Sie war klein, pausbäckig und machte ständig erfolglos eine Diät, obwohl weder Mike noch Henry begriffen, weshalb sie sich damit plagte. Emmas Wirkung auf Menschen beruhte nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf ihrem Charakter und darauf, was sie tat. Sie engagierte sich an der Schule ihrer Kinder, und jeden Nachmittag um drei Uhr klemmte sie einen Keil unter die offene Haustür, damit die Kinder aus der Nachbarschaft sich bei ihr treffen konnten. Das nutzten sie auch – ihr Haus ähnelte stundenlang einem summenden Bienenstock, während Kinder lärmend ein und aus liefen – nicht zuletzt wegen der selbst gemachten Pizza, die es häufig bei Emma gab.
Henry betete seine Frau an und schätzte sich glücklich, sie an seiner Seite zu haben. Emma tat Henry gut und umgekehrt. Wie sie anderen oft erzählten, lachten sie viel zu viel miteinander, um Zeit zum Streiten zu haben. Emma war genauso spottlustig wie Henry, und wenn sie erst mal loslegten, konnten sie sich gegenseitig richtig hochschaukeln.
Als Mike jetzt den hungrigen Glanz in ihren Augen sah, wäre er am liebsten rasch in Deckung gegangen. Henry nickte. »Das ist er.«
Emma starrte weiter in Richtung Theke. »Macht ganz schön was her, was?«
»Mabel hat, glaube ich, das Wort sexy benutzt«, bemerkte Henry.
Emma nickte langsam. »Ja… sexy. Sehr sexy. So à la gut aussehender Fremder, oder?«
Mike verschränkte die Arme, sackte in sich zusammen und fragte sich verzweifelt, ob der Abend noch schlimmer werden konnte.
»Ganz meine Meinung«, sagte Henry. Richard und Julie warteten immer noch an der Theke auf ihre Getränke. »Sie sind ein schönes Paar«, fügte er hinzu.
»Heben sich ziemlich ab von der breiten Masse«, pflichtete Emma ihm
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