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Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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schon oft gepicknickt – Jim tat es stets mit Vergnügen –, und für ein Weilchen fühlte sich Julie ganz wie immer. Dieses Gefühl war allerdings nicht von Dauer. Im Picknickkorb befanden sich eine Flasche Merlot und eine Platte mit Käse und Obst, und nachdem sie gegessen hatten, bot Richard ihr eine Fußmassage an. Sie hatte zunächst gelacht und abgelehnt, aber als er sanft nach ihrem Fuß griff, die Sandale abstreifte und seine Massage begann, fügte sie sich drein und malte sich aus, dass Kleopatra sich ganz ähnlich gefühlt haben musste, während sie sich unter sachte schwankenden Palmen entspannte.
    Sonderbarerweise kam ihr in dem Moment ihre Mutter in den Sinn.
    Obwohl sie längst entschieden hatte, dass ihre Mutter weder als Mutter noch als Vorbild etwas taugte, fiel ihr unwillkürlich eine Bemerkung ein, die ihre Mutter einmal gemacht hatte, als Julie fragte, warum sie ihrem jüngsten Liebhaber den Laufpass gegeben hatte.
    »Er war einfach nicht mein Fall«, hatte ihre Mutter sachlich erklärt. »So ist das eben manchmal.«
    Julie war damals acht und nickte, ohne recht zu verstehen.
    Jahre später begriff sie dann, was ihre Mutter gemeint hatte, und als sie nun Richard ansah, der ihren Fuß in den Händen hielt, fiel ihr die Bemerkung wieder ein.
    War Richard ihr Fall?, fragte sie sich, als sie wieder zu Hause war.
    Eigentlich durfte dies keine Frage sein, das wusste sie. Weiß Gott, jemanden, der mehr hermachte, würde sie wohl kaum finden, jedenfalls nicht in Swansboro. Als Heiratskandidat schien er geradezu ideal zu sein. Und doch: Nach vier Verabredungen und etlichen gemeinsam verbrachten Stunden ging Julie jäh auf, dass Richard
nicht
ihr Fall war. Bei dieser Erkenntnis war ihr, als versinke sie in einem tiefen See, doch es ließ sich nicht bestreiten: Die Chemie zwischen ihnen beiden stimmte nicht. Sie fühlte einfach nicht dieses leise Kribbeln im Bauch wie damals, als Jim das erste Mal ihre Hand nahm. Sie verspürte nicht den Wunsch, die Augen zu schließen und von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen, und sie wusste mit Bestimmtheit, dass sie am Tag nach einer Verabredung mit ihm nicht auf Wolken romantischer Benommenheit schwebte. Sicher, er gab sich ungeheure Mühe; doch so sehr sie es sich auch wünschte, empfand sie nicht wirklich etwas für ihn. Er war einfach ein netter Kerl… und eine andere Frau würde bestimmt glücklich mit ihm werden.
    Wie ihre Mutter gesagt hatte: Manchmal passte es eben nicht.
    Vielleicht bestand das Problem ja auch darin, dass alles so plötzlich kam. Womöglich brauchten sie einfach etwas mehr Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen. Schließlich hatte auch ihre Beziehung mit Jim sich erst allmählich entwickelt. Nach einigen weiteren Treffen würde sie sich vielleicht schon wundern, warum sie so zögerlich gewesen war. Oder?
    Versonnen bürstete sich Julie vor dem Spiegel das Haar. Dann legte sie die Bürste hin und dachte: Ja, das wird es sein. Wir müssen uns nur etwas besser kennen lernen. Jedes Mal wenn die Vergangenheit zur Sprache gekommen war, war es ihr irgendwie gelungen, abzulenken. Sie hatte nicht erwähnt, wie schwierig das Verhältnis zu ihrer Mutter gewesen war, wie verstörend es gewesen war, zu jeder Tages- und Nachtzeit Männer im Haus ein und aus gehen zu sehen, wie verlassen sie sich gefühlt hatte, als sie noch vor dem Highschool-Abschluss von zu Hause ausgezogen war. Oder wie sehr sie sich gefürchtet hatte, als sie keine feste Unterkunft hatte. Oder wie es sich angefühlt hatte, als Jim starb, als sie nicht wusste, ob sie je die Kraft finden würde, weiterzuleben. Das waren schwere Erinnerungen, die stets einen bitteren Nachgeschmack hinterließen, wenn Julie darüber sprach. Manchmal war sie versucht, Richard davon zu erzählen, damit er erfuhr, wer sie wirklich war.
    Aber sie ließ es bleiben. Aus irgendeinem Grund war sie nicht dazu imstande. Und er erzählte ihr auch nicht viel von sich, fiel ihr auf. Auch er hatte eine Art, Gesprächen über die Vergangenheit auszuweichen.
    Aber wäre das nicht letzten Endes das Wichtigste gewesen? Die Fähigkeit, zu kommunizieren, sich zu öffnen, Vertrauen zu haben? Bei ihr und Jim hatte es funktioniert.
    Das Läuten des Telefons riss Julie aus ihren Gedanken. Singer folgte ihr ins Wohnzimmer, wo sie den Hörer abnahm.
    »Hallo?«
    »Na, wie war’s?«, fragte Emma unverblümt. »Ich will alles erfahren. Und lass nur ja nichts aus.«
    »Eine Fußmassage?«, fragte Mike ungläubig. Dieses Detail

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