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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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schleppenden Beat der Musik und meine Bewegungen, die sich an der warmen Luft rieben. Ich wollte nicht zu schnell sein, ich wollte nicht auffallen. Ich war ein vorsichtiger Orkan und achtete darauf, niemanden anzustoßen. Ich befürchtete, die anderen würden zerspringen, sobald ich sie berührte.
    Dieser Tanz wurde das Schönste, was ich in meinem ganzen Leben erlebt hatte. Ich war ein Teil der Musik. Ich war eine der Schnellen zwischen all den Langsamen.

5

    Am nächsten Morgen hingen von der Party nur Fetzen in meinem Kopf - das Lachen einer Frau, eine Schale mit Pudding, jemand lag angezogen in der gefüllten Badewanne und schlief, während das Wasser um ihn herum dampfte;
    ein Telefon klingelte, aber das Klingeln war nicht zu hören, dafür leuchtete der Hörer jedesmal rot auf.
    Ich lag im Bett und sah mich um. Keine Klapse, keine Arzte, nur ich. Aber was hieß das genau? Hatte ich die Psychose in den Griff bekommen, ohne es zu merken? Ich kniff die Augen fest zusammen und öffnete sie wieder. Es stimmte, ich war hier. Es war alles normal, und das hieß, ich hatte es geschafft.
    Ich duschte und schaute nach der Post. Mein Körper prickelte vor Energie. Im Flur hing meine Jacke nicht an der Garderobe, dafür lag über dem Küchenstuhl ein Pullover, der mir nicht gehörte.
    —    Hi, ich bin’s, was haben wir gestern getan?
    Jenni lachte, ich konnte an ihrer Stimme hören, daß auch sie erst seit einigen Minuten wach war.
    —    Du hast mich geküßt, sagte sie.
    —    Blödsinn.
    —    Hast du doch.
    Auch ich mußte jetzt lachen.
    —    Und wie bist du nach Hause gekommen?
    -Taxi. Du hast meinen Pullover...
    —    ... und du meine Jacke.
    Ich hab deine Jacke nicht, sagte Jenni, Du hast dir meinen Pullover genommen, weil du deine Jacke nicht gefunden hast.
    —    Scheiße.
    Wir alberten noch etwas herum, dann gab Jenni mir die Nummer von einem Typen, der mit der Frau zusammen war, bei der die Party stattgefunden hatte. Ich rief gleich an und machte aus, meine Jacke später abzuholen.
    Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte es an der Tür. Als ich öffnete, kam Mirko die Treppe hochgerannt. Er war schweißgebadet und hielt sich am Geländer fest, als würde er jeden
    Moment umkippen. Erst dachte ich, er wäre auf Speed oder so, als er dann aber sprach, hörte es sich nicht nach Drogen an. Er war den ganzen Weg gerannt. Er hatte es von Gerd gehört, und der hatte es von Daniela.
    — Asta, sagte er, jemand hat Asta gekillt.

    Wir fuhren zur Polizeiwache und warteten auf einen Kripobeamten, der schon mit einigen aus unserer Clique gesprochen hatte. Von ihm erfuhren wir die Details.
    Die Polizei ging davon aus, daß es ein mißglückter Einbruch gewesen war. Asta muß wachgeworden sein und hat den Einbrecher abgepaßt, als der gerade dabei war, die Tür zu knacken. Die Tatzeit wurde auf drei Uhr morgens geschätzt, es gab keine Zeugen, niemand hatte etwas gehört. Asta wurde erst gegen sieben Uhr von der Nachbarin im Flur gefunden. Sein Hinterkopf war eingeschlagen und das Gesicht unkenntlich. Als die Untersuchung begann, mußte die Polizei erst die zersplitterten Zähne zusammenfegen. Sie hatten keinen Anhaltspunkt, wer das gewesen sein könnte. Ob Asta Feinde hatte, und wie es mit ihm und Drogen stand, wollten sie wissen.
    Zwei Stunden später waren wir erneut auf der Straße und fühlten uns zu fertig, um zu heulen. Wir saßen im Park und starrten vor uns hin. Danach verzogen wir uns in Mirkos Wohnung, rauchten und hörten Musik, so leise, als wäre sie nicht an. Ich kann mich an kein einziges Wort erinnern, das wir gesprochen haben. Ich blieb die Nacht über bei Mirko, und wir vögelten müde miteinander. Aber das hatte eigentlich nichts mit Sex zu tun. Es war ein Tribut an die Zeit mit Asta. Wir waren eine Familie, wir liebten uns, wir würden für immer Freunde bleiben.
    Am Tag danach ließ ich mir nichts anmerken. Auch während der folgenden Wochen und Monate tat ich, als ob die Gedanken in meinem Kopf einer Fremden gehörten.
    Die Polizei fand keine Spur vom Mörder, und bei der Beerdigung schüttelten wir Astas Eltern die Hand und machten, daß wir wegkamen. Ich blieb noch bis Ende des Jahres im Kindergarten, dann packte ich meine Sachen und verließ Oldenburg, ohne es jemandem zu sagen. Ein Studienplatz, um den ich mich im Vorjahr beworben hatte, war in Kassel freigeworden. Ich fand übers Internet eine Wohnung, immatrikulierte mich und wurde im Frühjahr Studentin.
    Niemand von

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