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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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derselbe Blick.
    -Ja? fragte sie.
    -    Er macht das öfter, fing ich an, Er fickt immer gleich, er läßt dabei immer die gleichen Sprüche ab, es ist reine Gewohnheit. Das macht er ein paar Monate und verschwindet dann spurlos. Er meint das aber nicht persönlich. Es liegt einfach daran, daß er nur Ficken im Kopf hat. Sobald es ihm langweilig wird, ist er weg.
    Ihr Mund klappte auf.
    -Was ?
    -    Es tut mir leid, sagte ich und wandte mich ab.
    -Wer ist da? hörte ich Max aus dem Hintergrund rufen.
    Sie antwortete ihm nicht, sondern folgte mir in den Flur.
    Ich hörte das Tapsen ihrer nackten Füße auf dem Linoleum, dann hielt sie mich am Arm fest. Wir sahen uns an. Der verschmierte Lippenstift ließ ihren Mund größer aussehen, ihre Bluse war falsch zugeknöpft, ihre Brustwarzen schimmerten dunkel durch den hellen Stoff. Sie war mir wie eine Schwester.
    -Wer bist du? fragte sie.
    -    Ich bin seine Frau. Hat er dir von unserer Tochter erzählt?
    Ihre Augen wurden groß.
    -    Lisa ist vier Jahre alt. Vier, und sie hat Krebs. Max denkt, er kann Lisa heilen, indem er andere Frauen fickt.
    Damit wandte ich mich ab und schritt in aller Ruhe die Treppen hinunter. Ich war die Königin, und ich war mit Helium gefüllt. Auf der Straße sah ich mich um, als würde ich von einem Filmteam erwartet. Ich wußte, ich hatte meine Rolle gut gespielt.

    Das wurde mein Abend. Jenni glaubte mir natürlich kein Wort. Sie sagte, ich würde spinnen, das hätte ich doch nicht wirklich getan. Ich lachte und nahm sie in den Arm. Es war alles so einfach.
    -    Laß uns feiern, sagte ich.
    Erst gingen wir ins Kino, dann zum Italiener und zum Schluß aßen wir ein Eis und ließen die Hälfte stehen. Wir waren so vollgefressen, daß wir für unseren Cappuccino eine halbe Stunde brauchten. In der Disco konnte ich vor
    Zufriedenheit nur stillsitzen und starren. Die Menschen waren alle so schön. Sie gaben sich Mühe, schön zu sein. Sie wollten einander gefallen und achteten auf ihre Bewegungen, flirteten mit Gesten. Das fand ich so rührend und liebenswert, daß ich auf dieTanzfläche ging, um ihnen nahe zu sein. Wir waren eine Familie, es war alles so einfach, es gab keinen Grund sich zu streiten, sich zu hassen oder Grausamkeiten zu begehen.
    Später saß ich mit Jenni und ein paar Leuten zusammen. Gläser mit Tequila standen auf dem Tisch, jemand rief nach einer Bong, aber wir waren ja in einer Disco, und da gab es nun mal keine Bongs. Im nächsten Moment aber wurde eine rumgereicht, und ich wunderte mich, wo die herkam. Da sah ich, daß wir nicht mehr in der Disco waren. Wir saßen in einer Altbauwohnung auf zwei Sofas. Die Bong füllte sich mit Rauch. Von irgendwoher erklang schmerzhaft leidend Dakota Suite, die Musik floß durch den Raum. Vor den Fenstern hingen grüne Vorhänge, und in den Ecken flackerten Kerzen. Ich suchte Jenni und fand sie mit dem Kopf zwischen den Beinen eines Typen, der aussah, als ob er schlafen würde. Ich mußte kichern und hatte plötzlich Heißhunger auf Schokolade. In der Küche durchkramte ich alle Schränke und entdeckte in einer Schublade einen steinharten Brocken Kuvertüre. Das Zeug war so hart, daß abbeißen nicht in Frage kam, also lutschte ich an einer Ecke herum und wippte mit dem Fuß. Danach machte ich mich wieder auf die Suche nach Jenni. Der Typ sah immer noch so aus, als ob er schlafen würde, seine Hose war halb heruntergezogen, traurig hing sein schlaffer Penis heraus. Jenni war verschwunden.
    Ich folgte dem Lärm.
    Vielleicht zwanzig Leute tanzten, während die Musik sich änderte, und der Beat runterging. Ich erwartete, daß die Leute
    aufhörten zu tanzen, aber sie bewegten sich weiter. Erst verschwanden die Höhen in zähen Tönen, dann folgten die Bässe, als wären sie massive Wesen aus Licht. Ich sah Jenni und winkte ihr, und Jenni winkte zurück, aber so langsam, so unglaublich langsam, daß ich---
    Ich fing an zu weinen.
    Es war wieder soweit, ich hatte den Wechsel überhaupt nicht mitbekommen. Es war richtig, und es war schön. In einem kurzen, panischen Moment wollte ich nach Hause, um mein Medikament zu nehmen. Ich wollte die Langsamkeit bremsen. Wie lange war es überhaupt her, daß ich meine Pillen genommen hatte? Wann hatte ich das letzte Mal geschlafen? Vor zwei Tagen? Oder waren es drei?
    Die Zweifel verschwanden, denn ich fühlte mich gut, gut und lebendig. Solch ein Gefühl konnte nicht falsch sein. Ich ging zwischen den Tanzenden herum und genoß den

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