Du denkst, du weißt, wer ich bin
als hätte er schon einmal einen Song von Luxe gehört. Ich meine, Luxe waren nicht auf iTunes, und sie hatten noch nicht einmal einen Vertriebspartner – das Album war eine Sammlung von Titeln, die ich mir von ihrer Website heruntergeladen hatte. Es gab nicht einmal eine offizielle Albumgestaltung, deswegen hatte ich ja meine eigene gemacht, mit einem Foto von Dallas, das ich auf MySpace gefunden hatte. Ich hatte mich nicht getraut, ihm eine Freundschaftsanfrage zu senden, aber ich sah seine Fotos durch und kopierte mir eins, das mir gefiel.
»Olive ist total verrückt nach Luxe«, meldete sich mein großmäuliger Bruder gut gelaunt zu Wort. »Sie hört sie die ganze Zeit.« Ich drohte Toby mit meinem Halt-die-Klappe-Gesicht, was er aber nicht zu bemerken schien. »Luxe. Luxe. Luxe. Die ganze Zeit.«
»Vielleicht kommen sie ja auch mal auf einen Gig hierher«, sagte Lachlan. »Wie heißt noch mal der Pub hier im Ort?«
»Das Rainbow «, antwortete ich.
»Stimmt. Vielleicht spielen sie mal da.«
Meine Augen wurden rund und groß. »Du bist eine Glücksfee, stimmt’s? Und du erfüllst meinen Wunsch.«
Lachlan lächelte, und schockiert wurde mir schlagartig bewusst, dass ich dabei war, mit ihm zu flirten.
»Wenigstens ist es doch denkbar, meinst du nicht?«, fragte er.
Na ja. In der Theorie ist fast alles möglich. Es ist möglich, dass es Leben auf anderen Planeten gibt, oder dass Ralphy lernen könnte , darauf zu hören, wenn ich »Sitz« rufe. Oder dass meine Mutter lernt, fließend spanisch zu sprechen. Aber eine Menge Dinge sind mehr als unwahrscheinlich. Es war zum Beispiel unwahrscheinlich, dass ich Luxe jemals spielen hören würde. Oder dass mir jemals wieder etwas Gutes passieren könnte.
Die Leichtigkeit, die ich beim Tanzen gespürt hatte, quoll aus mir heraus wie Zahnpasta aus einer Tube, und ich fürchtete, das Gleichgewicht zu verlieren und auf den Boden zu stürzen. Ich stützte mich, indem ich mich an die Kasse lehnte und mich auf das kleine Feld konzentrierte, wo die Preise angezeigt wurden. Die Zahlen glühten grün.
Lachlan lehnte sich über den Tresen. »He, was hast du?«
An der Wand genau über der Registrierkasse war ein kleiner Spiegel angebracht, gewölbt wie ein Augapfel. Der ›Haltet-den-Dieb-Spiegel‹, sagte Noah immer. Er – oder vielleicht sein Dad – hatte ihn dort befestigt, damit wer immer an der Snackbar arbeitete, feststellen konnte, ob jemand etwas nahm, wenn er oder sie noch an der Kasse war. Durch die Krümmung konnte man mehr oder weniger das ganze Kinofoyer gespiegelt sehen – allerdings verzerrt. Als ich jetzt hineinsah, lauerte mein eigenes Gesicht wie das eines Monsters, mein Körper war in die Länge gezogen, meine Nase stand vor wie der Schnabel eines Tukans.
Hinter mir im Spiegel war Lachlan. Er sah perfekt aus. Es fühlte sich falsch an, dass wir überhaupt in ein- und derselben Reflexion auftauchten.
Für ihn ist das alles nur ein Witz , redete ich mir ins Gewissen. Und ich bin die Pointe.
Es gab keine andere Erklärung. Egal, was Ami sagte. Ich nahm mir selbst übel, dass ich angefangen hatte, an etwas anderes zu denken – und sei es auch nur für einen Augenblick. Solche Leute wie ich und Lachlan gehörten einfach nicht zusammen.
Ich drehte mich wieder um, meine verschränkten Arme bildeten eine Absperrung um meinen Körper. »Ich sollte dann mal wieder an die Arbeit.«
»Lenke ich dich vom Tanzen ab?«
Ich erwiderte das Lächeln nicht und Lachlans verblasste schnell. »Oh. Okay dann«, sagte er leise. »Wir sehen uns.«
Ich stand steif da, bis er aus der Tür und in die Nacht verschwunden war.
Ich hatte erwartet, ich würde mich wieder fangen, wenn er erst gegangen wäre. Ich wusste, es war richtig gewesen, ihn wegzuschicken. Und selbst wenn es sich dank irgendeines Wunders nicht um einen Witz handeln sollte, passten Leute wie Lachlan nicht in meine Welt. Nicht in meine neue Welt.
Aber das miese Gefühl blieb. Es wurde sogar stärker, je mehr sich der Abend in die Länge zog. Als meine Schicht endete, fühlte ich mich mieser denn je, seit ich begonnen hatte, Medikamente zu nehmen.
Am Montagmorgen saß Katie auf ihrem Pult, ihre Freundinnen um sich geschart. Ich brauchte nicht einmal zuzuhören, um zu wissen, worum es ging. Man hätte meinen können, sie müssten die Olympischen Spiele organisieren bei all der Zeit, die sie aufbrachten, den Ball zu diskutieren. Das Thema lautete Winter-Beachparty, und sie zermarterten sich den Kopf, ob es
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