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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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sondern als ob ich es neu erschaffen würde. Ich musste es sowieso tun. Das war meine Art, jedem auf dem Ball zu beweisen, dass ich den Abend nicht ernst nahm.
    Am Ballabend zog ich das Kleid an und beschmierte die Haut, die dem »Haifischbiss« ausgesetzt war, mit künstlichem Blut. Es machte mir nicht einmal etwas aus, dass mein moppeliger Bauch zu sehen war. Blutspuren können sehr strecken, wenn sie vertikal angebracht werden.
    Ami gab mir Anweisungen, während ich meine Haare machte. Brav auf der einen Seite. Chaos auf der anderen. Als ich fertig war, nickte sie. »Showtime.«
    Ich musste in Mums Zimmer gehen, um mich im Spiegel zu betrachten. Mein eigener Spiegel war auch eins von den Dingen, die ich nach dem Krankenhaus weggeworfen hatte. Die Haiangriff-Seite war nur sichtbar, wenn ich mich nach links drehte. Aus dem anderen Blickwinkel sah ich total normal aus. Diese Seite ließ mich echt ausflippen.
    »Ich sehe so …«
    »Hübsch«, grinste Ami und zog das Wort so in die Länge, dass es in meinen Ohren klingelte. »Hüüüübsch!«
    Ich faltete meine Hände. Klimperte mit den Augenlidern. Beschwor das Mädchen aus den 50er-Jahren herauf, dem das Kleid mal gehört hatte.
    »Vielleicht wird heute Abend ein Traumprinz mit mir tanzen«, sagte ich in zuckersüßem Ton. »Das wäre ja so schick .«
    Ich zog meine Schuhe an. Mintgrüne Kitten-Heels – noch ein Secondhand-Kauf, und ich hatte fast nicht damit gerechnet, dass ich sie je tragen würde. Sie waren perfekt, besonders mit ein paar Spritzern Blut darauf.
    »Also, Aschenputtel, ich würde ja zu gern wissen, was Lachlan von diesem Outfit halten wird«, stichelte Ami.
    »Das werden wir nie erfahren«, gab ich zurück und überging die plötzliche Leichtigkeit, die ich fühlte. »Da ich ihm aus dem Weg gehen werde. Und wir werden sowieso nur eine halbe Stunde da sein. Maximum.«
    Trotzdem – es war eine interessante Frage.
    Für den Ball hatte man die Stadthalle gemietet, ein altes luxuriöses Gebäude an der Promenade mit vielen verrückten Türmchen. Es war in einer blassen Cremefarbe gestrichen, und weil es das höchste Gebäude der Straße war, zeichnete es sich gegen den Abendhimmel ab wie eine übergroße Sandburg. Als Mum auf die Promenade einbog, entdeckte ich nach und nach Leute aus der Schule. Leider hatte ich recht gehabt mit den Bikinis und den kurzen fellbesetzten Röckchen. Also wirklich. Einige Leute sind doch nicht ganz gar.
    Mein Angstgefühl hatte langsam ein gefährliches Niveau erreicht, noch bevor Mum das Auto überhaupt abgebremst hatte, und in dem Moment, als ich den Bürgersteig betrat, wusste ich, dass das alles ein großer Fehler war. Egal, wie krass mein Kostüm war. Aber dann war Mum schon abgefahren und hatte mich auf dem Gehsteig zurückgelassen.
    Musik – grässliche Musik – plärrte aus der Stadthalle. Zwei Mädchen kamen an, als Meerjungfrauen verkleidet mit Röcken so eng um die Knöchel, dass sie kaum gehen konnten. Sie klammerten sich aneinander, um sich vor dem Fallen zu bewahren. Jede trug ein kleines Diadem aus Eiszapfen, das gut zu ihrem kalten kleinen Lächeln passte. Sie blieben auf den Stufen stehen und hörten der Musik zu.
    »Oh mein Gott«, schrie eine Meerjungfrau.
    »Ich liebe diesen Song!«, kreischte die andere und stolperte beinahe über ihren Schwanz.
    »Ich habe meine Meinung geändert«, verkündete ich und machte auf dem Absatz kehrt. »Ich gehe nach Hause.« Es gab eine Bushaltestelle in der Nähe – in zwanzig Minuten wäre ich zu Hause.
    Ami warf sich mir in den Weg. »Nein! Du hast mir versprochen, du würdest wenigstens eine Weile bleiben. Denk nur daran, dass wir hier sind, um Spaß zu haben. Oder würde das gegen eine Regel der Prinzessin aller Alternativen verstoßen?«
    »Nein«, sagte ich und musste lachen. »Wir dürfen Spaß haben. Wir mögen bloß keine Scheißmusik.«
    »Na, dann nimm doch deine Ohrstöpsel und höre deine eigene Musik«, entgegnete Ami, eindeutig gereizt. »Ich bin sicher, du hast dir was mitgebracht. Lass uns reingehen.«
    »Alle starren mich an«, murmelte ich, als wir die Treppen hochstiegen und durch die Türen mit verziertem Holz und Glas gingen.
    »Vielleicht liegt das an dem auseinanderklaffenden blutenden Riss in deinem Kleid?«, gab Ami weise zu bedenken.
    Na klar. Das hatte ich ganz vergessen. Ich richtete mich wieder auf. Das Einzige, was schlimmer ist, als in einem total bizarren Kostüm aufzutreten, ist so auszusehen, als täte es einem leid.
    In der Halle

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