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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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eine Weile. Und dann sagte sie mit ganz leiser Stimme: »Du kennst dich doch mit parasitären Wespen aus, oder?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte ich. »Ich sitze seit sechs Monaten genau vor diesen Insektenpostern. Warum fragst du?«
    »Erinnerst du dich, dass die Mutterwespe ihre Eier nicht in einem Nest oder Stock ablegt? Sie legt sie direkt in den Körper eines anderen Insekts – du weißt schon – zum Beispiel in eine Raupe …«
    »Genau, und so schlüpfen die Eier in einer toten Raupe«, warf ich ein und verzog das Gesicht. »Krass.«
    »Nicht tot«, korrigierte Ami. »Lebendig. Die Wespenlarven bleiben in der lebenden Raupe, während sie heranwachsen, und ernähren sich von deren Blut und Fleisch, bis sie groß und stark genug sind, sich ihren Weg durch die Haut zu beißen.«
    »Das ist absolut widerwärtig.« Meine eigene Haut kribbelte, als ob etwas darüber krabbelte.
    »Und es geht noch weiter«, fuhr Ami fort. »Die Babywespen sondern eine Chemikalie ab, die Einfluss auf das Hirn der Raupe nimmt, sodass sie nicht einmal merkt, was mit ihr passiert. Sie würde sogar versuchen, diese Jungwespen zu schützen, während die sich durch ihre Haut fressen, weil sie denkt, sie gehören zu ihrem Körper. Wenn dann die Jungwespen weg sind, stirbt die Raupe endgültig.«
    »Ami«, sagte ich, und mir wurde übel dabei, »was hat das mit Miranda zu tun?«
    »Nun, ich frage mich, ob Shifter das nicht genauso machen«, erklärte Ami. »Nicht wie Elfen oder Kobolde oder an welche Zauberwesen die Leute denken, wenn sie das Wort Shifter hören. Freakiges verstörendes Zeug findet in der Welt der Natur die ganze Zeit statt. Wir rechnen nur nicht damit, dass es bei Menschen auch vorkommen könnte. Aber warum nicht?«
    Ich fühlte mich unsicher. Ami sah mich genau an. Sie nickte mir zu. »Du weißt, dass es die Wahrheit ist«, sagte sie leise. »Katie ist die saftige, Schutz bietende kleine Raupe. Aber sie ist schon so gut wie ausgetrocknet.«
    Der Gang war voller Leute, aber irgendwie hörte ich nur den Klang meines Herzens, das lauthals schlug.
    »Wenn wir uns irren, ist Miranda nur ein Miststück«, sagte Ami mit sanfter, aber fester Stimme. »Aber wenn wir recht haben, ist Katie in Gefahr.«
    Ich knallte mein Schließfach zu, gerade als es klingelte. »Ich gehe sie besuchen«, beschloss ich. »Und zwar jetzt sofort.«
    »Dann beeil dich besser«, sagte Ami. »Für den Fall, dass Miranda zuerst da ist.«
    Das Krankenhaus war eines dieser hässlichen kastenförmigen Gebäude – die Art, die einem schon beim Ankommen das Herz in die Hose rutschen ließ. Das wusste ich aus eigener Erfahrung, denn es war dasselbe Krankenhaus, in dem ich nach dem Vorfall einige Zeit verbracht hatte. Im Inneren hatte jemand sich bemüht, es etwas freundlicher aussehen zu lassen. Gemälde waren an den Wänden angebracht worden, vor allem welche aus der Hand von Patienten. Eine Wand war ganz bedeckt mit bunten Zetteln, auf denen positive Botschaften standen: Hab Vertrauen. Sei nett. Sei ein Freund. Hinter dem Gebäude gab es einen Garten.
    Die Panik, die mich dorthin getrieben hatte, ließ, als ich ankam, etwas nach, allerdings fühlte ich meine Zuversicht erneut schwinden, als ich die Haupttür aufstieß und diesen vertrauten Geruch von zerkochtem Gemüse wahrnahm. Es war unwahrscheinlich, dass Katie sich wahnsinnig freuen würde, mich zu sehen – ich war wohl nur eine Erinnerung daran, wie tief sie gefallen war. Aber jetzt war ich hier, und es wäre dumm gewesen, einfach kehrtzumachen. Ich atmete tief ein. Sei tapfer , redete ich mir zu. Alles, was du tun musst, ist hineingehen und sie vor Miranda warnen. Das schien vernünftig – und machbar.
    Die Frau an der Rezeption lächelte, als ich näherkam. »Hallo«, begrüßte sie mich. »Wir haben dich hier schon eine Weile nicht gesehen.«
    »Ich komme, um Katie Clarke zu besuchen«, sagte ich schnell.
    Die Frau sah auf die Besucherliste und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Im Moment nur Verwandte.«
    Patienten in dieser Klinik durften angeben, welche Besucher sie sehen und welche sie nicht sehen wollten. Man konnte die Ärzte und Krankenschwestern natürlich nicht ausschließen, aber fast jeder andere konnte auf die »kein-Besuch-Liste« kommen. Als ich da war, hatte ich klargemacht, dass ich niemanden aus der Schule sehen wollte.
    »Sie ist meine Cousine«, log ich.
    Die Krankenschwester musterte eingehend mein Gesicht. Früher hatten die Leute gesagt, wir sähen uns ähnlich. »Sie ist

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