Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
Vom Netzwerk:
Die Rettungssanitäter wickelten uns alle in diese glänzenden silbernen Decken, die aussahen, als gehörten sie eigentlich in ein Raumschiff. Im Krankenhaus wurde Katie sofort weggefahren; Lachlan und mir blieb nur, Millionen von Fragen zu beantworten. Immer wieder wollte man wissen, was passiert war, warum Katie so dürr war, unter welcher medikamentösen Behandlung sie stand, und wir beantworteten alles auf dieselbe Weise. Dass wir es nicht wussten.
    Darauf folgte das Drama, Mum anrufen zu müssen. Ich hatte ja vorgehabt, einfach nach Hause zu fahren und nichts von all dem zu erwähnen, aber das Krankenhaus bestand darauf, dass wir abgeholt würden. Natürlich rastete Mum aus, als ich vom Krankenhaus aus anrief, und ich brauchte mehrere Minuten, sie niederzuquatschen, dass ich dieses Mal wegen Katie im Krankenhaus war und nicht wegen etwas, das ich getan hatte.
    Endlich kam der Moment, als alle Fragen gestellt und alle Details so weit geklärt waren, und nur Lachlan und ich blieben im Wartezimmer zurück. Und ich fragte mich gerade, ob ich Lachlan alles sagen sollte, unaufgefordert. Über Dad, den Vorfall, die Medikamente. Der Grund, warum ich so anders aussah als auf den sechs Monate alten Fotos im Schulblog.
    Ich wusste, Katie würde schon alles ausgeplaudert haben, aber ich dachte, vielleicht wäre es anders, alles von mir selbst zu hören. Gott weiß, wie weit sie das Gerede verfälscht und verzerrt hatte.
    Ich fand, ich schuldete sie Lachlan. Die Wahrheit. Denn wenn er erst einmal die ganze, wahre Geschichte gehört hätte, würde er vielleicht verstehen, dass ich ihn nicht abgelehnt hatte, weil ich ihn nicht mochte. Sondern weil ich ihn mochte. Weil ich wusste, dass er etwas Besseres verdient hatte.
    Als ich mich ihm zuwandte, betrachtete er mich mit diesem erwartungsvollen Blick in den Augen. Als ob er wüsste, dass ich ihm etwas Größeres sagen müsste, etwas Wichtiges.
    Eine Weile verstrich. Und dann noch eine. Los, du Wonk, befahl ich mir selbst. Sprich . Aber ich konnte nicht. Die Worte schienen sich zu verfangen und wieder in mich eingesogen zu werden.
    Die Tür zum Wartezimmer wurde aufgestoßen, und Mum rauschte herein. Sie erstickte mich in ihren Armen. »Oh, Süße«, schluchzte sie. Sie zog mich auf die Füße, ohne zu bemerken, dass Lachlan direkt neben mir saß. »Lass uns nach Hause gehen. Du musst total erschöpft sein.«
    Ich sah Lachlan an und wünschte mir, es gäbe die einfache Möglichkeit, ihm mit einem Blick in mein Gesicht alles zu erklären, wie chaotisch mein Leben gerade war.
    Lachlan nickte mir zu, dann sah er weg. »Tschüss, Olive«, sagte er leise.

ZWÖLF
    Die Lokalzeitung veröffentlichte einen Artikel darüber, was an jenem Abend geschehen war. Jugendliche Helden retten Teenagerschönheit . Gott allein weiß, wie sie davon Wind bekommen hatten. Sie hatten Bilder aus unserem Schulblog ausgegraben. Eins von mir mit dem Arm um Katie, wir beide mit breitem Grinsen im Gesicht. Ich sah mir das Foto lange an. Ich war nicht die Einzige, die sich verändert hatte. Die Katie, die Lachlan und ich zusammengesackt auf der Straße gefunden hatten, hatte nichts gemeinsam mit diesem Mädchen mit den schimmernden blonden Haaren und einem strahlenden Lächeln.
    Eine enge Freundin des Opfers sagte, dass sich Miss Clarkes physischer und psychischer Zustand in letzter Zeit dramatisch verschlechtert habe. ›Sie war total besessen von der Idee, übergewichtig zu sein, obwohl genau das Gegenteil zutraf‹, berichtete die Freundin. ›Sie sagte, sie sei lieber tot als fett . Und sie wollte einfach keine Hilfe annehmen.‹
    »Du hast einen Versuch, zu erraten, wer diese ›enge Freundin‹ ist«, sagte ich zu Ami. Es ist seltsam, über etwas zu lesen, an dem man teilgenommen hat, geschrieben von jemandem, der nicht da war. Die Dinge werden ins Gegenteil verkehrt. In dem Artikel klang es, als ob die ganze Sache ein Selbstmordversuch von Katie gewesen wäre.
    »Niemand wird das glauben«, höhnte ich.
    »Wette mal lieber nicht darauf«, sagte Ami grimmig.
    Kurz nachdem der Artikel erschienen war, verbreitete sich in der Schule die Nachricht, dass Katie wegen Anorexie behandelt würde. Und Ami behielt recht. Niemand schien den geringsten Zweifel zu haben, dass Katie sich freiwillig auf die Straße gelegt hatte und sterben wollte. Ich nehme an, ihnen allen schien das die folgerichtige Erklärung. Aber sie hatten nicht diesen verwirrten Gesichtsausdruck gesehen wie wir, als wir sie fanden. Der so

Weitere Kostenlose Bücher