Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
Vom Netzwerk:
Das Carportdach ragte tatsächlich über den Zaun hinaus. Scharfe Felsen ragten heraus, wo der Boden abfiel. Ich holte erschreckt Luft, als Miranda einen Schritt vorwärts machte. Ihre Zehen zeigten über den Rand.
    »Miranda! Halt!«
    Miranda lachte. »Du Riesenbaby«, spottete sie verächtlich. »Das ist doch der Sinn der ganzen Sache. Es ist eine Mutprobe. Wir stehen hier mit geschlossenen Augen, bis eine von uns den Schwanz einzieht und zurücktritt. Oder hinunterfällt.«
    »Das spiele ich nicht mit. Es ist blöde. Und gefährlich.«
    »Ach, Zuckerpüppchen. Hab keine Angst«, schmeichelte Miranda. »Was kann denn schon passieren?«
    Ich knirschte mit den Zähnen. »Wir könnten sterben.«
    Miranda seufzte und trat vom Rand zurück. Ich fühlte mich erleichtert, bis sie zu der Stelle kam, wo ich stand und einen Arm um meinen Hals legte. Es war zu eng, um als Umarmung durchzugehen. Es war eher ein Zweikampf. »Es ist nur ein Spiel, Olive«, sagte sie. »Bitte beweise mir, dass du kein Feigling bist. Feiglinge kann ich nicht ausstehen.«
    Ich wurde vorwärts geführt, Schritt für Schritt, bis wir beide am Rand des Carports balancierten. Ich hielt meine Augen starr geradeaus gerichtet, den Körper total versteift.
    Miranda stand neben mir, den Arm immer noch um meinen Hals. »Stell dir vor, wie unglaublich es sich anfühlen würde, wenn wir jetzt springen würden«, flüsterte sie. »Durch die Luft fliegen.«
    »Stell dir vor, wie unglaublich es sich anfühlen würde, auf diesen Felsen in Stücke zertrümmert zu werden«, sagte ich überlaut, zynisch. Versuchte, meine Angst zu kaschieren.
    Aber es war, als ob Miranda mich etwas vollkommen anderes hätte sagen hören. »Tun wir es also?«, fragte sie, als ob sie mich mal wieder zu einem Gig einlud. Zu noch einer Party. »Zusammen?«
    Ich löste mich aus ihrem Griff. » Nein.«
    Miranda sah sich nicht einmal um, als ich von der Kante zurücktrat und hinunterkletterte. Meine Arme und meine Beine zitterten. Ich blickte hoch und sah sie immer noch dastehen, als Silhouette gegen die Schwärze der Nacht, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt.
    »Es wäre wundervoll«, seufzte sie. »Stell es dir vor – nie wieder mit seiner Vergangenheit belastet zu sein. Nie mehr Schuldgefühle, was man seiner Familie angetan hat. Keine Trauer mehr wegen toter bester Freundinnen.« Miranda klang selig. »Erzähl mir nicht, dass du nicht in Versuchung bist, Olive.«
    »Runterspringen hilft aber nicht«, sagte ich mit versteinerter Miene.
    »Doch. Natürlich.«
    Ich beobachtete sie, fühlte mich hilflos. Wenn ich mein Handy gehabt hätte, hätte ich jemanden anrufen können. Die Polizei. Vielleicht würde Oona uns hören, wenn ich nur laut genug schrie – aber das schien unwahrscheinlich. Ich überlegte, wieder hochzuklettern und sie in Sicherheit zu bringen. Aber was war, wenn sie ihr Gewicht nach vorn warf und wir wie ein Wasserfall über die Kante schwappten? Bei dem Gedanken kribbelte es mich an meinem ganzen Körper.
    »Komm, Miranda«, bettelte ich sie aufgewühlt an. »Komm runter von da oben. Du hast gewonnen, okay? Du hast die Mutprobe bestanden.«
    Ich hatte nicht wirklich erwartet, dass sie zuhören würde, also war es ein Schock, als sie wirklich zurücksprang, leichtfüßig über das Dach rannte und sich selbst über die Kante abrollen ließ. Die sichere Kante.
    »Na, wie krass war das denn?«, lachte Miranda. Vor lauter Erregung funkelten ihre Augen.
    Ich konnte sie nicht ansehen. Jetzt, wo wir beide wieder heil auf dem Boden waren, überrollte eine Woge von Wut meine Panik. »Nein, es war überhaupt nicht krass.«
    Miranda verdrehte die Augen. »Mein Gott, Olive«, sagte sie. »Ich habe keine Sekunde gedacht, wir sollten es wirklich tun. « Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf mich. »Du hattest doch diesen Sinn für Humor. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit daraus geworden ist.«
    »Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte ich und versuchte gar nicht erst, meinen Widerwillen und Ärger zu verbergen. Alleine im Dunklen zurückzulaufen, war nicht besonders einladend, aber zu bleiben war schlimmer. Ich machte mich auf den Weg und war gerade ein paar Meter gegangen, als Miranda hinter mir hergelaufen kam.
    »Gehört das dir?«, fragte sie. »Ich habe es gestern Abend im Taxi gefunden.«
    Sie hielt mein Handy hoch. Als ich es ihr aus der Hand nahm, tat ich etwas, was ich schon eine ganze Weile nicht getan hatte. Ich vermied es, ihre Haut zu berühren.
    Ich steckte das Handy

Weitere Kostenlose Bücher