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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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in meine Jackentasche und ging ohne ein Wort weg.
    Ich brachte es nicht fertig, die Abkürzung durch den Wald zu nehmen. Als ich erst durch das Loch in Oonas Zaun war, folgte ich dem Zaun, bis ich wieder auf der Hauptstraße war, und ging stattdessen da entlang. Als ich zu Hause ankam, war es nach Mitternacht – für meine neuesten Verhältnisse früh –, aber meine Abende enthielten ja normalerweise auch keine Nachtwanderungen oder Nahtoderlebnisse auf wackeligen Carports. Ich wollte mich nur noch aufs Ohr hauen. Also hatte ich fast eine Herzattacke, als die Hintertür aufgerissen wurde und ich Mum da stehen sah, ihre Arme verschränkt.
    »Komm rein«, forderte sie mich auf. »Wir müssen reden.«
    Ich ging hinter ihr her, durch die Küche, dann hinüber zum Spülbecken, wo ich mir ein Glas Wasser eingoss und es sehr langsam austrank. »Ich bin total fertig«, sagte ich und stellte das Glas hin. »Lass uns morgen reden.«
    »Nein«, erwiderte Mum. Sie saß am Küchentisch und schob einen der anderen Stühle mit einem Fuß hinaus. Ich war es gewöhnt, dass sie besorgt aussah, aber der Zorn war neu. »Ich will wissen, was du so machst.«
    »Also tagsüber bin ich in der Schule«, antwortete ich. »Du weißt schon – die, in die du mich zwingst zu gehen, obwohl ich dort die totale Außenseiterin bin. Und an manchen Abenden bin ich hier und passe auf Toby auf, weil du arbeitest . Und an anderen Abenden schufte ich im Mercury , was ich tun muss, denn es ist ja nicht so, als bekäme ich irgendein Taschengeld …«
    »Versuche nicht, witzig zu sein, Olive«, sagte Mum knapp. »Du weißt genau, wovon ich spreche.« Ihre Finger schlugen dumpf auf der Tischplatte auf. »Sich mitten in der Nacht hinauszuschleichen, ist absolut inakzeptabel, genauso wie es abzustreiten. Also lass mich dich noch einmal fragen: Was hast du heute Abend gemacht?«
    Krumen waren über das Tischtuch verstreut wie ein toastfarbener Hautausschlag. Ich drückte einen ganz fest mit meinem Daumen, spürte, wie er sich eindrückte und dann zerkrümelte. »Ich habe mit Miranda abgehangen.«
    »Du warst bei ihr zu Hause?«, fragte Mum und sah erleichtert aus. Als ob das irgendwie eine gute Nachricht wäre.
    »Ja.«
    »War Oona da?«
    Ich nickte. Oona war wahrscheinlich da gewesen, irgendwo. Mein Stuhl scharrte über die Fliesen. »War es das? Kann ich jetzt ins Bett?«
    »Nein«, sagte Mum. »Ich bin ja froh, dass du eine neue Freundin gefunden hast, Olive. Ganz ehrlich. Und ich freue mich für dich, dass du Zeit mit Miranda verbringst. Aber du musst mir versprechen, dich nicht mehr hinauszuschleichen.«
    Um ehrlich zu sein, war ich irgendwie erleichtert, dass mir eine Pause von diesem verrückten Leben der letzten Monate geradezu befohlen wurde. Vor allem nach dem, was ich in dieser vergangenen Nacht durchgemacht hatte. Aber das brauchte ich Mum natürlich nicht wissen zu lassen.
    »In Ordnung«, seufzte ich. »Ich verspreche es. Nicht mehr wegschleichen.«
    »Ich möchte außerdem einen Familientag«, fügte Mum hinzu. »Du, ich und Tobes.«
    Ich wusste genau, was › Familientag‹ bedeutete. Mum würde einen dieser grauenvollen Kuchen backen wie immer, und wir würden dieselbe Auswahl an sterbenslangweiligen Filmen ansehen wie seit Jahren.
    »Das klingt gut«, sagte ich.
    »Wirklich?« Mum sah so sehr aus, als wollte sie mir unbedingt glauben, dass ich mich furchtbar mies fühlte.
    Ich nickte. »Wirklich.« Und als ich es sagte, ertappte ich mich dabei, dass es vielleicht auch gar nicht so schlecht werden würde. Mit Mum und Toby faul rumzuhängen klang für mich in diesem Moment geradezu verlockend.
    »Klar. Ich arbeite Freitagabend – heute Abend –, aber den Rest des Wochenendes bleibe ich zu Hause. Versprochen.«
    Daraufhin umarmte Mum mich – so fest, dass ich tatsächlich Mühe hatte, Luft zu kriegen.
    »Ich freu mich ja so sehr«, sagte sie. »Was für einen Kuchen soll ich machen? Zucchini und Mohn?«
    »Hmm«, antwortete ich. »Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen.«
    Am Freitagmorgen war ich gerade erst durch das Schultor gekommen, als Miranda herbeieilte, sich bei mir unterhakte und so tat, als sei alles in bester Ordnung. Als ob sie nicht gestern erst versucht hätte, mich zu überreden, von einem Dach zu springen.
    »Ich habe Superneuigkeiten«, sagte sie.
    Das Gefühl ihrer Finger auf meinem Arm ekelte mich an.
    »Oona fährt weg!«, jubelte Miranda. »Irgendeine Freundin holt sie heute Nachmittag ab und nimmt sie irgendwo das

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