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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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Mercury stand eine lange Schlange. Merkwürdig. Hatte Noah meiner Mum nicht gesagt, es würde ruhig werden? Ich quetschte mich ins Foyer und sah mich um. An der Snackbar stand ein Mädchen, das ich nicht kannte, schaufelte Popcorn in die Eimer und servierte Drinks. Ich ging auf den Ticketschalter zu und drängelte mich vor, bis an den Anfang der Schlange.
    »Was ist los, Noah? Warum macht jemand anderes meinen Job?«
    Noah verkaufte weiter Tickets. Er guckte mich nicht einmal an.
    »Was hast du denn erwartet?«, fragte er. »Du hast mich heute Abend hängengelassen. Mal wieder. Ich kann froh sein, dass Polly Zeit hatte.«
    Ein Summen war zu hören – hoch und hartnäckig. Polly musste das Licht über der Eiscreme-Truhe angeschaltet haben.
    »Wovon redest du?«, sagte ich. »Du hast doch meine Mum angerufen und gesagt, ich bräuchte nicht zu kommen!«
    »Nein, habe ich nicht. Und ich habe versucht, dich auf deinem Handy zu erreichen – ungefähr zwanzig Mal –, um herauszufinden, wo du bleibst.« Noah schüttelte den Kopf. »Dad ist gar nicht glücklich, Olive. Er sagt, du bist vollkommen unzuverlässig geworden.«
    »Da muss was mit meinem Telefon nicht stimmen«, murmelte ich. »Ich habe es nicht ein einziges Mal klingeln hören.«
    »Ach ja?«, sagte Noah und sah mich zum ersten Mal an, seit ich da war. »Also, vielleicht hörst du es ja jetzt. Olive, du arbeitest hier nicht mehr. Jetzt geh bitte aus dem Weg, damit ich meinen Job machen kann.« Ich stand da und riss mich mit aller Macht zusammen. Noah sah mich argwöhnisch an, dann seufzte er und hängte das In fünf Minuten zurück -Schild auf.
    »Komm«, sagte er, kam hinter dem Ticketschalter hervor und zog mich zu einer Bank in der Ecke. Sein Gesicht war ernst. »Ist es wahr? Was sie alle über dich sagen?«
    Ich runzelte die Stirn. »Was sagen sie denn?«
    »Dass du auf Drogen bist.«
    »Nein!«, entfuhr ich es mir. Mein Hals schmerzte. »Warum sollte jemand so etwas Bescheuertes sagen?«
    »Vielleicht weil du aussiehst , als wärst du auf Drogen«, antwortete Noah. »Du bist so dünn. Und blass.«
    »Noah«, flehte ich, »es ist nicht wahr. Und es tut mir leid, dass du gedacht hast, ich hätte dich heute Abend sitzenlassen, aber du musst mir glauben, das ist nicht das, was passiert ist.«
    Noah verschränkte seine Arme. »Und was ist passiert? Jemand hat deine Mum angerufen und so getan, als wäre er ich?«
    Ich antwortete nichts.
    »Verkaufen Sie jetzt noch Tickets oder was?«, rief irgendjemand ungeduldig aus der Schlange.
    Noah stand auf. »Ich muss gehen«, brummte er. »Viel Glück, Olive. Ich hoffe wirklich, du kriegst deinen Kram wieder in den Griff.«
    Ich drängte mich wieder nach draußen, die Welt um mich verschwamm hinter Tränenflimmern. Alles glitzerte. Es war fast schön. Dann überkam mich eine Ruhe – eine nebelhafte, unergründliche Ruhe. Als ob ich nicht vollkommen wach wäre.
    Und als ob ich ferngesteuert würde, als ob ich an Fäden gezogen würde, machte ich mich auf den Weg zum Strand.
    Ich erwartete, dass die alte Panik wieder in mir aufsteigen würde, sobald meine Schuhe den Strand berührten. Das letzte Mal, als ich am Strand gewesen war, hatten Lachlan und ich Katie gesucht. Obwohl ich damals Angst gehabt hatte, war es nicht schwer gewesen, den Ozean zu verdrängen – wahrscheinlich, weil es dunkel war und ich mich auf eine Aufgabe konzentrieren musste. Und ich war nicht allein gewesen. Aber dieses Mal glomm der Himmel noch von der untergehenden Sonne, also war das Wasser – die Wellen – strahlend hell, funkelnd. Es gab keine Aufgabe, keine andere Person zur Ablenkung.
    Trotzdem blieb meine Gelassenheit, und ich ging den Strand hinunter, bis er nicht mehr sandig trocken war, sondern unter meinen Schuhen zu schmatzen begann. Dort blieb ich stehen. Ich schien mich nicht bewegen zu können – vorwärts oder rückwärts. Also stand ich einfach da, beobachtete und horchte.
    Eine Frau mit Hund joggte vorbei. Die Pfoten des Hundes warfen dicke Sandklumpen auf, als er da so entlanggaloppierte, und er sah mich im Vorbeilaufen an. Er lächelte auf die verrückt-glückliche Art aller Hunde. Und ich fing auch an zu lachen. Ich meine, wie kann man nicht lachen, wenn man einen Hund am Strand entlanglaufen sieht? Aber gleichzeitig weinte ich auch, irgendwie. Lachen und Weinen gleichzeitig tut weh. Es tut weh und bringt einen vollkommen durcheinander.
    Ich drehte mich um und sah dem Hund hinterher, wie er den Strand entlang weglief. Und da

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