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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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herüberschauten.
    Eigentlich
hatte ich nur einen Rat gewollt. Ich hatte Bruno vom gestrigen Abend erzählt,
von der verunglückten Liebesnacht mit Charlotte, dem Panikanruf von Soleil –
und natürlich von dem seltsamen Liebesbrief, der schon den ganzen Tag meine
Gedanken beschäftigte.
    Â»Ich hab nicht die leiseste Ahnung, wer den Brief geschrieben haben
könnte. – Was meinst du, soll ich antworten?« hatte ich gefragt und wollte
eigentlich ein »Ja« hören.
    Statt dessen runzelte Bruno die Stirn und fing mit irgendwelchen
verschwörungstheoretischen Überlegungen an.
    Es sei bedenklich und äußerst verdächtig,
daß die Verfasserin des Briefes sich nicht zu erkennen gebe, meinte er. Anonyme
Briefe solle man grundsätzlich nicht beantworten, da liege kein Segen drauf.
    Â»Wer weiß, was für eine Psychopathin dahintersteckt.« Er beugte sich
mit verschwörerischem Blick vor. »Kennst du diesen Film mit Audrey Tautou, wo
sie eine durchgeknallte Stalkerin spielt, die sich diesen netten verheirateten
Mann ausgeguckt hat, dessen Frau schwanger ist, und der nachher im Rollstuhl
landet, weil sie ihm eine schwere Vase auf den Kopf knallt, als er sie
abweist?«
    Ich schüttelte entsetzt den Kopf. Auf so eine Idee war ich noch gar
nicht gekommen. »Nö«, entgegnete ich lahm. »Ich kenne nur ›Die fabelhafte Welt
der Amélie‹, und da wird am Ende alles irgendwie gut.«
    Bruno lehnte sich zufrieden zurück. »Mein armer Freund, ich kenne
die Frauen, und ich sage: Vorsicht.«
    Â»Nun ja«, wandte ich ein. »Auch ich kenne die Frauen ein wenig.«
    Â»Aber nicht solche Frauen.« Bruno flüsterte fast. »Ich sehe doch,
was tagaus, tagein in meiner Praxis ein- und ausgeht. Glaub mir, die meisten
haben eine Macke. Die eine hält sich für die Königin der Nacht, die andere für
eine Principessa. Keine will alt werden, und alle finden sich zu dick. Und
erinnerst du dich noch an diese aufsässige Frau, der ich die Nase operiert habe
und die mich dann Tag und Nacht am Telefon tyrannisiert hat, weil sie sich
einbildete, ich hätte mich in sie verliebt?« Bruno sah mich bedeutungsvoll an.
»Weißt du, wie Frauen sein können, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt
haben? Antworte ihr, und du wirst sie nicht mehr los!«
    Â»Also, wirklich, Bruno, du übertreibst. Das ist der Brief einer
Frau, die sich offensichtlich in mich verliebt hat. Was soll daran so
psychopathisch sein? Außerdem hat der Brief überhaupt nichts Zwanghaftes. Es
ist eher ein … ein charmantes, um nicht zu sagen unwiderstehliches Angebot.«
Ich bekräftigte meine Worte mit einem großen Schluck Rotwein und bestellte
einen salad au chèvre. Die Diskussion hatte mich
hungrig gemacht.
    Â»Ein charmantes Angebot, hmmm …«
Nachdenklich wiederholte Bruno meine Worte. »Was natürlich auch sein könnte …«,
begann er, und ich stöhnte innerlich auf.
    Während ich meinen Salat aß, entwickelte Bruno eine neue
Theorie, die mich fast meinen warmen Ziegenkäse verschlucken ließ.
    Es konnte natürlich auch sein, daß ein zwielichtiges
Unternehmen dahintersteckte, das auf diese zugegebenermaßen sehr individuelle
Art versuchte, an E-Mail-Adressen ranzukommen, um das Opfer (mich) entweder in
einen Soft-Porno- oder Viagra-Verteiler reinzukriegen oder zumindest für eine
Art unseriöse Internet-Partnership-Vermittlungsagentur anzuwerben. »Du
antwortest an diese Mail-Adresse, und schon wirst du bombardiert mit Angeboten
aus Weißrußland«, warnte er und schwieg dann einen Moment. »Und wenn du ganz
großes Pech hast …«, er machte eine unheilschwangere Pause, »… steckt so ein
Wahnsinniger dahinter, der sich einen Spaß daraus macht, deinen Computer mit
Viren zu verseuchen oder dein Bankkonto zu plündern.«
    Â»Bruno,
jetzt reicht’s«, sagte ich ärgerlich und knallte mein Besteck auf den
Holztisch. »Manchmal hast du wirklich einen gepflegten Knall. Ich dachte, du
könntest mitüberlegen, wer diese Principessa ist. Statt dessen verzapfst du
hier diesen tiefenbescheuerten Bullshit.« Ich machte eine kleine Pause.
»Internet-Mafia, lächerlich! Und die soll dann in hunderte von Haushalten
handgeschriebene Büttenpapierbriefe verteilen? Der kam ja nicht mal mit der
Post!« Ich tastete in meinem Jackett, das ich über den Stuhl

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