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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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eine verträumte Miene an.
    Klar, schoß es mir durch den Kopf. Jeder bekommt hier sein
Happy-End, nur ich nicht. Vor meinen Augen materialisierte sich die
pantherhafte Gestalt von Karl Bittner. Ich lachte. Es klang bitter.
    Â»Na, dann hoffe ich mal, daß wenigstens Ihre Verabredung pünktlich
kommt«, versuchte ich zu scherzen.
    Luisa Conti lächelte.
    Ich blickte zu Boden und sah dann wieder auf.
    Luisa Conti lächelte immer noch,
sie lächelte mich an, nahm langsam die Brille ab, und ich sah ihre saphirblauen
Augen, die mir entgegenschimmerten wie ein stiller dunkler See. Ich sah ihre
kleine gerade Nase, ihre helle durchscheinende Haut, auf der sich vereinzelt
die winzigsten Sommersprossen zeigten, ich sah ihren feingeschwungenen,
kirschroten Mund, und da wußte ich es.
    Die Welt drehte sich, durch mein Herz raste ein Wirbelsturm, in meinem
Kopf überschlugen sich die Bilder.
    Die Tinte am Finger, der unglückliche Zusammenstoß, zerbrochenes
Porzellan, »Das-Glück-war-einen-Wimpernschlag-entfernt«,
»Sie-kennen-mich-und-kennen-mich-nicht«,
»Würde-diese-Nase-Sie-beim-Küssen-stören«.
    Louise O’Murphy, Louise, Luisa.
    Luisa, die in einem sich bauschenden roten Sommerkleid auf dem
Bahnsteig an der Gare de Lyon gestanden hatte, Luisa, die hinter ihrem
Schreibtisch saß und alles sah, Luisa, die mir den kleinen zornigen Zettel in
die Manteltasche gesteckt hatte und mich mit ihren Bemerkungen so wütend
machte, daß ich sie am liebsten geschüttelt hätte.
    Luisa, die mir all diese wunderbaren Briefe geschrieben hatte und
die wußte, wo das Ende der Welt war.
    Â»Mein Gott … Luisa!« flüsterte ich, und meine Stimme zitterte.
    Ich nahm ihr Gesicht zwischen meine Hände.
    Â»Bist du es, auf die ich warte?«
    Ich verlor mich in diesen Augen, die so unergründlich waren, ich
begehrte diesen weichen zärtlichen Mund, und da – man möge es mir nachsehen –
wartete ich das unmerkliche Nicken, das von Mademoiselle Luisa Conti kam, nicht
mehr ab.
    Mit einer einzigen heftigen Bewegung zog ich sie zu mir heran, und
als sich unsere Lippen trafen und ich ihre kleine spitze Zunge fand, dachte ich
noch so einen Unsinn wie »Komisch, ich wollte immer ein Blonde, und jetzt habe
ich eine Brünette bekommen«.
    Und dann hörte das Denken auf.
    Dieser Kuß, auf den ich so sehnsüchtig gewartet hatte wie auf
keinen anderen, dieser Kuß, der von zarter Hand so lange vorbereitet war,
dieser Kuß, der das Schönste war, was ich jemals erlebt hatte, wollte nicht
enden. Er war vollkommen. Der Duc hatte seine Principessa endlich gefunden.
Unter einem Moskitonetz, irgendwo am Ende der Rue du Bac, nahmen sich zwei
Liebende eine Auszeit von der Welt.
    Und
wenn Aristide nicht plötzlich angerufen hätte, wären wir vielleicht im »Au bout
du monde« einfach vergessen worden. Die Buchhändlerin hätte das Licht gelöscht,
die kleine Buchhandlung abgeschlossen, und wir hätten es nicht einmal bemerkt.
    So aber lösten wir uns widerstrebend voneinander, und ich zog mein
Handy hervor.
    Â»Ja, was ist denn?« fragte ich atemlos.
    Â»Jean-Luc, ich hab’s! Je tiens l’affaire! «
rief mein Freund in höchster Erregung, und es fiel mir nicht einmal auf, daß er
dieselben Worte benutzte wie mein berühmter Vorfahre, als er im heißen Ägypten
endlich die Inschriften auf dem Stein von Rosette entschlüsselte.
    Â»Ich bin auf einen Satz im ersten Brief der Principessa gestoßen,
und dieser Satz, jetzt halte dich fest, stammt wörtlich aus einer Novelle von
Barbey-d’Aurevilly. Sie heißt ›Der rote Vorhang‹, und weißt du, wer dieses Buch
auf seinem Schreibtisch liegen hatte und darin las? Du wirst es nie erraten!«
    Aristide machte eine dramatische Pause, und ich strich Luisa eine
Strähne ihrer Haare zurück, die in die schönste Unordnung geraten waren, und
der winzige Laut, den sie von sich gab, als ich nicht länger widerstehen konnte
und mein Mund in zärtlicher Ungeduld ihre Lippen streifte, gehörte nur mir.
    Â»Es ist Luisa Conti! Luisa Conti ist die Principessa!« Aristide
schrie die Neuigkeit so laut in den Hörer, daß auch Luisa es verstand.
    Ich ließ einen Augenblick von ihr ab, und wir lächelten uns zu wie
zwei Verschwörer.
    Â»Ich weiß, Aristide, ich weiß«, sagte ich.

Nachwort
    Die Personen und die Handlung dieses
Romans

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