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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Abends hatte man das gute Gefühl, nicht nur
seinen Bauch gefüllt, sondern auch seinen Geist bereichert zu haben.
    Ich machte den Kühlschrank auf, bestrich mir ein Stück Baguette dick
mit Foie gras, die ich noch fand, und schüttete mir ein Glas Rotwein ein.
Allmählich schien sich mein Leben wieder zu normalisieren.
    Als ich mich an meinen Laptop setzte, fragte ich mich einen Moment,
wie es wäre, wieder mit June zusammen zu sein.
    Ein reizvoller Gedanke – und doch! Ich sah Junes funkelnde
Katzenaugen vor mir und hörte sie schon fragen: »Wer ist diese Soleil? Und was
machst du nachts in ihrem Schlafzimmer? Du hast was mit ihr, das spüre ich
genau …«
    Ich lächelte. Eifersucht war das Salz in einer Beziehung, aber
zuviel davon konnte auf Dauer ziemlich anstrengend sein.
    Bevor ich jedoch hypothetische Überlegungen über die Auffrischung
alter Beziehungen anstellte, mußte ich mir erst einmal Gewißheit darüber
verschaffen, ob es wirklich June war, die wieder in meinem Leben Einzug halten
wollte und dabei zu etwas ungewöhnlichen Mitteln griff.
    Einen Moment überlegte ich, was ich schreiben sollte. Dann wählte
ich einen Betreff, das fast die Qualitäten eines Codeworts hatte.
    Betreff: La Sablia Rosa
    Schönste Principessa,
    nach einem Tag, der voller
überraschender Wendungen – und vor allem voller Erinnerungen – war, meldet sich
Ihr Duc zurück, um Ihnen eine angenehme Nacht zu wünschen.
    Ihr kleines Rätsel habe ich nicht wirklich lösen
können, dafür aber bin ich der Lösung auf anderem Wege ein Stück nähergekommen,
scheint mir. Und ich fürchte, Sie werden jetzt Farbe bekennen müssen, denn ich
bin Ihnen durch einen Zufall auf die Schliche gekommen.
    Sie schreiben, daß Sie noch so viele Fragen an
mich hätten – ich meinerseits habe nur drei Fragen an Sie, aber ich bin mir
sicher, daß Sie sie alle mit einem Ja beantworten werden.
    1. Kann es sein, daß die »unglückselige
Begegnung«, die Sie in Ihrem ersten Brief erwähnen, in einem altmodischen Hotel
in Paris stattfand, das meinem Namen alle Ehre macht?
    2. Darf ich weiterhin vermuten, daß Sie – obwohl
aus dem Norden stammend – ein eher südländisches Temperament an den Tag legen
und bisweilen zu heftiger Eifersucht neigen (gerne konzediere ich, daß Sie
wunderhübsch sind in Ihrem Zorn, mag er nun berechtigt oder unberechtigt sein)?
    3. Ist es möglich, daß sich in Ihrer Kommode
Nachtwäsche von La Sablia Rosa befindet, die ich Ihnen vor einiger Zeit
schenkte, wobei ich einen dummen Fehler beging, für den ich mich an dieser
Stelle noch einmal in aller Form entschuldigen möchte?
    Mit anderen Worten: Morgen ist Sonntag, ich muß
nicht arbeiten, und WENN DU ES BIST, JUNE , würde ich mich unglaublich freuen,
wenn ich dich zum Mittagessen in dein Lieblingsrestaurant Le Petit Zinc
einladen dürfte. Ich denke, wir haben uns viel zu erzählen.
    BITTE SAG JA!
    Dein Jean-Luc
    Unvermittelt war ich zum Du gewechselt,
hatte das Principessa-Duc-Spiel durchbrochen und das achtzehnte Jahrhundert
verlassen, um ins einundwanzigste zurückzukehren. Und ich
war mehr als gespannt, was nun passieren würde.
    Ein paar Minuten verharrte ich vor dem Bildschirm, in
der abwegigen Annahme, daß die Principessa umgehend antworten würde. Aber
natürlich ließ sie sich Zeit.
    Also schaltete ich den Computer aus, sagte Cézanne Gute Nacht, der
zur Antwort schläfrig ein paarmal mit seinem Schwanz wedelte, und ging zu Bett.
    Es war kurz vor elf, morgen war auch noch ein Tag, und ein
bißchen Schlaf würde mir gut tun. Ich schloß die Augen und sah June, die im
Petit Zinc vor einer der zartgrün bemalten Jugendstilsäulen saß und mir
lächelnd zuprostete.
    Zwei Stunden später knipste ich die Nachttischlampe seufzend
wieder an. So würde das nichts werden mit meiner Nachtruhe.
    Alles
war friedlich und still, doch offenbar hatten die letzten Tage meinen normalen
Schlaf-Wach-Rhythmus empfindlich durcheinandergebracht. Ich hatte mich ungefähr
hundertfünfunddreißigmal umgedreht, um die bequemste Schlafhaltung zu finden.
Ich hatte mehrfach zufrieden in mein Kissen geseufzt und autosuggestiv laut
gegähnt. Ich hatte sogar das Wort Tschechoslowakei rückwärts buchstabiert, wie
es der von Olivia de Havilland ausgebootete, frischgebackene Ehemann in dem
alten Film »Blaubarts

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