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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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verbringen?«
    Ich
fühlte eine Hand auf meiner Schulter und kehrte in die Wirklichkeit zurück.
Bittner war von seinem Endlostelefonat zurückgekommen und gab schon wieder den
Charmeur.
    Â»Die bezaubernde Dame hat leider überhaupt keine Zeit«, entgegnete
Mademoiselle Conti schnippisch.
    Bittner grinste, und seine braunen Augen ruhten einen Moment zu lang
auf ihr. »Schade, schade. Vielleicht ein anderes Mal?«
    Â»Vielleicht.«
    Â»Ich nehme Sie beim Wort.«
    Turtelturtel, was für ein Kitschfilm war denn das?!
    Ich verdrehte die Augen und lächelte gequält. Zum ersten Mal in
meinem Leben kam ich in den zweifelhaften Genuß, die Rolle des »Dritten im
Bunde« zu übernehmen. Kein guter Part. Zu sagen, daß ich mich völlig
überflüssig fühlte, wäre eine glatte Untertreibung gewesen, und ich möchte an
dieser Stelle dringend dafür plädieren, daß diese undankbare Rolle ab sofort
aus jedem Skript gestrichen wird.
    Â»Ich denke, wir sollten jetzt wirklich los, sonst schließt die
Küche.«
    Die Profanität meiner Worte entging selbst mir nicht, aber sie hatte
die gewünschte Wirkung. Bittner wandte sich mit einem launigen »Bis heute
abend!« zum Gehen, und ich konnte endlich das fragen, was mir noch auf dem
Herzen lag.
    Â»Und?« Erwartungsvoll sah ich Mademoiselle Conti an. »Jane oder
June?«
    Sie zuckte ratlos die Schultern. »Ich kann’s wirklich nicht sagen.
Es war ja nur ein kurzes Gespräch am Telefon. Aber ich bin mir sicher, daß es
nur eine von beiden gewesen sein kann – June oder Jane. «
    June oder Jane. Immerhin. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig,
daß ich die Principessa an der Angel hatte. Das Fischlein wiegte sich noch in
Sicherheit. Aber bald schon würde ich es vom Grund des Meeres an Land ziehen.

8
    Am Abend machte ich einen langen
Spaziergang mit Cézanne.
    Es dämmerte bereits, als ich auf einem der
sandigen Seitenwege unter den großen Bäumen der Tuilerien entlangschlenderte
und merkte, wie ich allmählich zur Ruhe kam. Ich atmete den Duft der
Kastanienblüten tief ein, betrachtete meinen Hund, der fröhlich voraussprang,
und hatte für einen Moment das Gefühl, in einem Bild von Monet
herumzuspazieren, so friedlich war alles.
    Cézanne kam zurück und sprang begeistert an mir
hoch. Ich lächelte dankbar. Das wirklich Wunderbare an einem Hund ist, daß er
einem immer verzeiht und nie beleidigt ist. Das unterscheidet ihn von einer
Katze und von fast allen Frauen.
    Den ganzen Tag hatte ich mich nicht blicken
lassen, seit Donnerstag war ich kaum ansprechbar gewesen, und dennoch – als ich
gegen sechs Uhr endlich an der Wohnungstür von Madame Vernier schellte, ertönte
von drinnen schon ein freudiges Bellen, und Cézanne begrüßte mich fast so
überschwenglich wie meine Nachbarin, die sich eingehend nach meiner
Kopfverletzung erkundigte und fragte, ob sie noch etwas für mich tun könne.
    Ich mußte ehrlich einen Moment überlegen, bevor
ich begriff, wovon sie redete. Dann faßte ich mir kurz an die Beule an meinem
Hinterkopf und winkte ab wie ein Superheld.
    In Anbetracht der Dinge, die sich noch alle
ereignet hatten, nachdem Madame Verniers zierliche Gummihantel
letzte Nacht so unsanft auf meinem Schädel gelandet war, erschien mir diese
kleine Blessur als ein zu vernachlässigendes Aperçu am Rande.
    Im
Café Marly, das direkt am Louvre liegt, gingen die Lichter an. Draußen auf der
Terrasse, die dem Park zugewandt ist, saßen noch Gäste. Ein leichter Wind kam
auf und spielte mit der langen roten Fahne, die vor dem sandsteinfarbenen
Gemäuer hängt und auf der die Buchstaben des Restaurants aufgemalt sind wie
chinesische Schriftzeichen.
    Früher
habe ich öfter hier gegessen. Besonders am Abend, wenn es dunkel wird, hat es
etwas nahezu Magisches, oben vom Restaurant aus direkt auf die angestrahlten
Skulpturen im Innenhof des Louvre zu blicken.
    Doch
der Zauber braucht immer auch eine gewisse Stille, um zu wirken. Und die findet
man im Marly heute nur noch selten. Die Musik ist zu laut, das Stimmengewirr
exaltierter Gäste oder solcher, die sich dafür halten, beträchtlich, und die
Speisekarte – ein merkwürdiger Reigen aus franko-italienisch-thailändischer-US-Küche,
der von einem »Hamburger« angeführt wird (den ich in den dafür bekannten Ketten
schon besser gegessen

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