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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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achte Frau« tut, um einzuschlafen (eine Szene, über die
ich mich bisher immer königlich amüsiert hatte) – es nutzte alles nichts.
    Natürlich hatte ich auch schon vorher schlaflose Nächte gehabt – im
Idealfall war ein weibliches Wesen der Grund dafür –, und danach schlief man
wie ein Stein und erwachte voller neuer Energien. Schlaflose Nächte ohne Sex
hingegen waren nichts, was irgendein Mann sich ernsthaft wünschte.
    Ich war todmüde, doch mein Gehirn war nicht zu beruhigen.
Irgendwelche hyperaktiven Neurotransmitter sprangen von Synapse zu Synapse und
brachten immer wieder neue Bilder hervor.
    Bilder von Frauen.
    Frauen, die ich gekannt hatte. Frauen, die ich gerne kennengelernt
hätte. Eine nach der anderen tauchte aus der Dunkelheit auf und tanzte vor
meiner Nase herum, sogar Soleil mit ihrem Brotmännchen.
    Ich stand auf. Wenn ich sowieso schon wach war, konnte ich auch
ebensogut noch einmal in den Computer gucken und nachsehen, ob inzwischen eine
Antwort eingetroffen war.
    Es war kurz nach eins, jeder auf der Welt schien bestens zu
schlafen, und die Mailbox war leer. Ich warf einen Blick in die Diele. Cézanne
lag in seinem Korb, zuckte schwach mit den Hinterläufen und knurrte leise. Auch
er schlief und jagte im Traum vielleicht einer Katze nach.
    Mißmutig ging ich in die Küche, holte den Rest vom Baguette aus dem
Schrank und machte das Glas mit der Leberpastete leer. Das Kauen hatte etwas
Beruhigendes.
    Einige meiner Freunde sagen, daß man etwas essen soll, wenn man
nicht einschlafen kann. Von Aristide weiß ich, daß er fast jede Nacht aufsteht
und sich dicke Stücke von einer Rolle Chèvre abschneidet, die immer in seinem
Vorratsschrank lagert. Foie gras war mindestens ebensogut wie Ziegenkäse, fand
ich.
    Ich stopfte mir den letzten Bissen Baguette in den Mund, spülte ihn
mit einem Schluck Rotwein hinunter und ging wieder ins Schlafzimmer. Jetzt
würde ich gut schlafen können. Endlich!
    Fünf Minuten später stand ich fluchend auf, weil meine Blase drückte
und es sich nicht verschieben ließ. Ich war zu jung für Prostataprobleme. Im
Spiegel sah ich einen bleichen Mann mit aschblondem Haar, den ich persönlich
nicht mehr als jung bezeichnet hätte.
    Ich wankte ins Schlafzimmer zurück. Alles war endlich. Das Leben,
ich selbst – aber auch diese verdammte Nacht.
    Ich warf mich aufs Bett und versuchte eine neue Taktik.
    Nun gut, würde ich eben nicht schlafen. Ich hatte gehört, daß man
sich fast genauso gut erholte, wenn man sich einfach nur hinlegte und die Augen
zumachte. Nur kein Streß, Jean-Luc, befahl ich mir, gaaanz ruhig. Bleib einfach
locker.
    Lockerlockerlocker. Ich atmete tief in den Bauch. Lockerlockerlocker …
    Irgendwann schlief ich tatsächlich ein.
    Ich merkte es daran, daß Soleil plötzlich in ihrem roten Kaftan über
mir kniete und dabei war, mikadogroße Nadeln in meinen Brustkorb zu stoßen.
    Â»Du entkommst mir nicht, Brotmännchen«, murmelte sie. »Du entkommst
mir nicht …« Ihre schwarzen Locken kringelten sich medusenhaft um ihr Haupt.
    Ich heulte auf wie Dracula vor der finalen Herzpfählung. »Soleil,
nicht, was tust du da!«
    Â»Na, weißt du jetzt, wer die Principessa ist, weißt du’s?« zischte
Soleil und verzog ihren blutrot geschminkten Mund zu einem riesigen Lächeln.
»Ich weiß jetzt, wie ich dich bekomme.« Ihre großen weißen Zähne schwebten
wenige Zentimeter über meinem Hals, und ihr Gewicht lastete auf mir wie Blei.
    Â»Nein, Soleil, tu’s nicht!« Panik erfaßte mich.
    Mit einer übermenschlichen Kraftanstrengung stieß ich sie zurück und
richtete mich auf. Ängstlich faßte ich an meine Brust. Mein Herz klopfte wie
wild, aber ich fühlte keine Nadeln. Erleichterung!
    Benommen tastete ich nach dem Schalter der Nachttischlampe.
    Was für ein Alptraum!
    Ich schwor mir, nie wieder so spät am Abend fette Leberpastete zu
essen, egal, was Aristide sagte.
    Es war sechs Uhr, vor dem Fenster hörte ich einen Vogel zwitschern –
es war definitiv die Lerche und nicht die Nachtigall, und ich ging hinüber ins
Wohnzimmer und setzte mich an meinen Schreibtisch. Langsam, so wie man eine
Schatztruhe öffnet, klappte ich meinen Laptop auf. Diesmal gab es drei neue
Mails.
    Und eine davon war von der Principessa.
    In freudiger Erwartung öffnete ich die Mail, doch

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