Du findest mich am Ende der Welt
achte Frau« tut, um einzuschlafen (eine Szene, über die
ich mich bisher immer königlich amüsiert hatte) â es nutzte alles nichts.
Natürlich hatte ich auch schon vorher schlaflose Nächte gehabt â im
Idealfall war ein weibliches Wesen der Grund dafür â, und danach schlief man
wie ein Stein und erwachte voller neuer Energien. Schlaflose Nächte ohne Sex
hingegen waren nichts, was irgendein Mann sich ernsthaft wünschte.
Ich war todmüde, doch mein Gehirn war nicht zu beruhigen.
Irgendwelche hyperaktiven Neurotransmitter sprangen von Synapse zu Synapse und
brachten immer wieder neue Bilder hervor.
Bilder von Frauen.
Frauen, die ich gekannt hatte. Frauen, die ich gerne kennengelernt
hätte. Eine nach der anderen tauchte aus der Dunkelheit auf und tanzte vor
meiner Nase herum, sogar Soleil mit ihrem Brotmännchen.
Ich stand auf. Wenn ich sowieso schon wach war, konnte ich auch
ebensogut noch einmal in den Computer gucken und nachsehen, ob inzwischen eine
Antwort eingetroffen war.
Es war kurz nach eins, jeder auf der Welt schien bestens zu
schlafen, und die Mailbox war leer. Ich warf einen Blick in die Diele. Cézanne
lag in seinem Korb, zuckte schwach mit den Hinterläufen und knurrte leise. Auch
er schlief und jagte im Traum vielleicht einer Katze nach.
MiÃmutig ging ich in die Küche, holte den Rest vom Baguette aus dem
Schrank und machte das Glas mit der Leberpastete leer. Das Kauen hatte etwas
Beruhigendes.
Einige meiner Freunde sagen, daà man etwas essen soll, wenn man
nicht einschlafen kann. Von Aristide weià ich, daà er fast jede Nacht aufsteht
und sich dicke Stücke von einer Rolle Chèvre abschneidet, die immer in seinem
Vorratsschrank lagert. Foie gras war mindestens ebensogut wie Ziegenkäse, fand
ich.
Ich stopfte mir den letzten Bissen Baguette in den Mund, spülte ihn
mit einem Schluck Rotwein hinunter und ging wieder ins Schlafzimmer. Jetzt
würde ich gut schlafen können. Endlich!
Fünf Minuten später stand ich fluchend auf, weil meine Blase drückte
und es sich nicht verschieben lieÃ. Ich war zu jung für Prostataprobleme. Im
Spiegel sah ich einen bleichen Mann mit aschblondem Haar, den ich persönlich
nicht mehr als jung bezeichnet hätte.
Ich wankte ins Schlafzimmer zurück. Alles war endlich. Das Leben,
ich selbst â aber auch diese verdammte Nacht.
Ich warf mich aufs Bett und versuchte eine neue Taktik.
Nun gut, würde ich eben nicht schlafen. Ich hatte gehört, daà man
sich fast genauso gut erholte, wenn man sich einfach nur hinlegte und die Augen
zumachte. Nur kein StreÃ, Jean-Luc, befahl ich mir, gaaanz ruhig. Bleib einfach
locker.
Lockerlockerlocker. Ich atmete tief in den Bauch. Lockerlockerlocker â¦
Irgendwann schlief ich tatsächlich ein.
Ich merkte es daran, daà Soleil plötzlich in ihrem roten Kaftan über
mir kniete und dabei war, mikadogroÃe Nadeln in meinen Brustkorb zu stoÃen.
»Du entkommst mir nicht, Brotmännchen«, murmelte sie. »Du entkommst
mir nicht â¦Â« Ihre schwarzen Locken kringelten sich medusenhaft um ihr Haupt.
Ich heulte auf wie Dracula vor der finalen Herzpfählung. »Soleil,
nicht, was tust du da!«
»Na, weiÃt du jetzt, wer die Principessa ist, weiÃt duâs?« zischte
Soleil und verzog ihren blutrot geschminkten Mund zu einem riesigen Lächeln.
»Ich weià jetzt, wie ich dich bekomme.« Ihre groÃen weiÃen Zähne schwebten
wenige Zentimeter über meinem Hals, und ihr Gewicht lastete auf mir wie Blei.
»Nein, Soleil, tuâs nicht!« Panik erfaÃte mich.
Mit einer übermenschlichen Kraftanstrengung stieà ich sie zurück und
richtete mich auf. Ãngstlich faÃte ich an meine Brust. Mein Herz klopfte wie
wild, aber ich fühlte keine Nadeln. Erleichterung!
Benommen tastete ich nach dem Schalter der Nachttischlampe.
Was für ein Alptraum!
Ich schwor mir, nie wieder so spät am Abend fette Leberpastete zu
essen, egal, was Aristide sagte.
Es war sechs Uhr, vor dem Fenster hörte ich einen Vogel zwitschern â
es war definitiv die Lerche und nicht die Nachtigall, und ich ging hinüber ins
Wohnzimmer und setzte mich an meinen Schreibtisch. Langsam, so wie man eine
Schatztruhe öffnet, klappte ich meinen Laptop auf. Diesmal gab es drei neue
Mails.
Und eine davon war von der Principessa.
In freudiger Erwartung öffnete ich die Mail, doch
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