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Du findest mich am Ende der Welt

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Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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schon als ich
die Betreffzeile las, stutzte ich.
    Betreff: Rumpelstilzchen
    Mir schwante, daß das nichts Gutes bedeutete. Gut, im Sinne
von: Das Rätsel ist gelöst. Dennoch unterlief der Principessa in diesem Brief
ein Fehler. Sie gab eine Information preis, und diese Information brachte mich
auf eine Idee.
    Zunächst
jedoch, Sie ahnen es, war der Antwortbrief eine herbe Enttäuschung. Im
nachhinein weiß ich natürlich, daß – wie in einem guten Krimi – die erste Lösung
nicht unbedingt die beste ist, aber ich hatte mich meinem Ziel schon so nahe
gewähnt, und nun war doch alles wieder anders.
    June jedenfalls konnte ich aus dem Kreis der Verdächtigen streichen,
das war mir bereits nach dem ersten Satz unmißverständlich klar.
    Lieber Duc,
    das war fürwahr ein netter Versuch, den Sie da
unternommen haben, um die Principessa zu stellen, aber ich fürchte, Sie
befinden sich auf dem Holzweg. Und wie das kleine Rumpelstilzchen der
Königstochter, so rufe auch ich Ihnen vergnügt zu: »Nein, nein, nein – so heiß’
ich nicht.«
    Mag sein, daß ich ein kleines bißchen
eifersüchtig bin – bei einem Mann wie Ihnen bietet sich das nun geradezu an –,
und in der Tat besitze ich sehr hübsche Wäsche, die bei La Sablia Rosa gekauft
wurde, aber Sie, mon chevalier , haben mir diese nicht
geschenkt, noch bekamen Sie jene zarten Dessous, die mehr preisgeben als
verhüllen, jemals an mir zu sehen (was zugegebenermaßen schade für Sie ist).
    Und damit erschöpfen sich auch schon die
Gemeinsamkeiten mit der von Ihnen erwähnten Dame.
    Ich bin nicht June.
    Belassen wir es doch für den Moment bei der
Principessa.
    Das Petit Zinc kenne ich gut, wenn es auch nicht
mein Lieblingsrestaurant ist, doch Ihre so eindringliche Bitte (die mir im übrigen
gut gefiel, auch wenn sie ja eigentlich nicht an mich gerichtet war, sondern an
besagte Dame, für die Sie mich fälschlicherweise hielten) muß ich leider mit
einem Nein bescheiden.
    Ein Essen mit Ihnen ist verlockend, erscheint mir
im Augenblick jedoch verfrüht, und selbst wenn es anders wäre, könnte ich nicht
zusagen, denn morgen mittag bringe ich eine liebe Freundin zum Zug. Sie reist
nach Nizza, und wir werden in guter alter Tradition vorher eine Kleinigkeit im
Train Bleu zu uns nehmen.
    Für mein leibliches Wohl ist also gesorgt, und
ich hoffe, auch für Ihres.
    Ich habe ausgezeichnet geschlafen, bin in aller
Frühe aufgewacht, bedanke mich herzlich für Ihren nächtlichen Gruß, den ich,
wie Sie unschwer erkennen können, eben erst vorgefunden habe, und wünsche Ihnen
einen angenehmen Sonntag.
    Ich denke, wir werden bald wieder voneinander
hören!
    Ihre Principessa
    PS: Sind Sie jetzt sehr enttäuscht,
weil ich nicht June bin? Es ist so schön, mit Ihnen zu korrespondieren, und ich
wünsche mir nur eines: daß es weitergeht.
    Ich starrte auf das Postskriptum. War ich enttäuscht?
    Natürlich war ich enttäuscht, aber wenn ich in mich
hineinhorchte, bezog sich meine Enttäuschung nicht unbedingt darauf, daß es
nicht June war. Eher glich sie der Enttäuschung des Jägers, der knapp sein Wild
verfehlt hat. Ich gebe zu, es hätte mir gefallen, die Principessa zu stellen,
sie kapitulieren zu sehen vor meinem Scharfsinn, und es ärgerte mich ungemein,
daß diese kleine anmaßende Person mich so hinhalten konnte. Warum sagte sie nicht
endlich, wer sie war? Was wollte sie von mir? Gerne hätte ich sie mit ihrer
letzten Frage ein wenig zappeln lassen.
    Ihr Postskriptum rührte mich dennoch. Aus ihm sprach eine gewisse
Unsicherheit, ja Angst. Sie hatte nicht geschrieben: »Ich hoffe, Sie sind jetzt
nicht allzusehr enttäuscht, daß ich nicht June bin.« Oder: »Die Enttäuschung
darüber, daß ich nicht June bin, wird sich hoffentlich in erträglichen Grenzen
halten.« Nein, ihre Frage war einfach und ehrlich – und gänzlich ohne diesen
leicht ironischen Unterton, der ansonsten in ihrem Brief mitschwang.
    â€¦ und ich wünsche mir nur eines: daß es
weitergeht.
    Diesen Satz konnte man nicht unbeantwortet lassen, er war einfach zu
schön. Und so schrieb ich zurück.
    Betreff: Enttäuscht!
    Selbstverständlich bin ich enttäuscht!
    Ich bin rasend enttäuscht, weil Sie meine
Einladung zum Essen nun schon zum zweiten Mal ausschlagen.
    Ich bin wahnsinnig enttäuscht, daß Sie mir

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