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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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gestikulierenden Armen. Die Menschen schienen sich zu einem einzigen
wogenden Molekül zu verbinden. Man trug das klassische Outfit von Touristen aus
aller Welt: ärmelloses T-Shirt, Shorts und atmungsaktive Goretex-Turnschuhe mit
dreifach verstärkter Sohle. Man amüsierte sich prächtig, aber mit der Eleganz
des Reisens hatte das nichts mehr zu tun.
    Cézanne winselte aufgeregt, ließ begeistert die Zunge
heraushängen, und ich nahm ihn enger an die Leine, bevor er sich an einem
halbnackten holländischen Männerbein zu schaffen machen konnte. Cézanne liebt
nackte Haut.
    Ich
durchschritt die einzelnen Säle auf dem langen roten Teppich, der durch den
Mittelgang des Restaurants führt, sah an die Tische rechts und links und hielt
Ausschau nach einem mir bekannten Gesicht. Vielleicht war es noch zu früh. Kein
Franzose, der etwas auf sich hält, ißt schon um zwölf Uhr zu Mittag.
    Im
hinteren Teil des Restaurants wurde es ruhiger. Hier waren einige Tische noch
nicht besetzt. Ich ging wieder zurück, bis ich in die Bar kam, die an die
Hauptsäle angrenzt. Dort ließ ich mich an einem der niedrigen Tischchen nieder
und bestellte einen Martini für mich und einen Napf mit Wasser für Cézanne. Ich
wartete.
    Würde
die Principessa kommen?
    Nervös
nahm ich einen Schluck und sah zwei Männern am Nebentisch zu, die ein spätes
Frühstück einnahmen. Obwohl ich mir morgens nur einen Kaffee gemacht hatte,
verspürte ich keinen Hunger.
    Ich versuchte mir auszumalen, wie ich der Principessa
gleich gegenüberstehen würde und was ich sagen würde, aber es ist schwer, sich
etwas auszumalen, wenn man keine Vorstellung davon hat, wie das Gegenüber
aussieht.
    Brunos
Worte kamen mir wieder in den Sinn. Ich mußte daran denken, wie Soleil mich in
ihrem Flur so bedeutungsvoll angeschaut hatte (Ich
glaube, es hat schon funktioniert) , und zupfte aufgeregt an meiner
Unterlippe. Vor meinem Auge sah ich für einen kurzen Moment die schlafende Soleil
in ihrer ganzen Schönheit auf dem hellen Laken liegen, und mit einem Mal war
mir ganz seltsam zumute.
    Hatte
die Principessa nicht in einem ihrer Briefe geschrieben, sie habe von mir
geträumt, und ich hätte nachts vor ihrem Bett gestanden? Ich lehnte mich in dem
Ledersessel zurück und starrte ins Leere. Konnte es sein? Hatte Bruno
vielleicht doch recht, und es war Soleil, die gleich hier auftauchen würde?
    Ich
jedenfalls hatte das Gefühl, daß ich allmählich immer weniger in der Lage war,
einen klaren Gedanken zu fassen. Von mir aus konnte auch Madame Vernier die
Principessa sein oder die Kassiererin in der Lebensmittelabteilung von Monoprix – wobei das nicht unbedingt meine erste Wahl gewesen wäre –, aber alles war
besser als diese Ungewißheit, und am Ende hatte jede Frau ihren ganz eigenen
Zauber.
    Ich
stand auf, kramte etwas Kleingeld hervor und legte es auf den Tisch. Dann
nickte ich Cézanne zu, und wir machten wieder eine Runde durch das Restaurant.
    Die
holländische Reisegruppe war gegangen. Nun waren nur noch vereinzelt Tische
besetzt, und leises Gemurmel plätscherte wohltuend durch den Raum.
    Ich
sah zum Eingang hinüber, wo sich gerade eine Familie vor dem Stehpult mit dem
aufgeschlagenen Reservierungsbuch einfand und sich von der Empfangsdame den reservierten
Platz zuweisen ließ.
    Â» Est-ce que je peux vous aider, Monsieur? Kann
ich Ihnen behilflich sein?« Ein Kellner, der ein Tablett mit einer Karaffe
Wasser und zwei Gläsern auf einer Hand balancierte, tauchte in meinem Blickfeld
auf und sah mich fragend an.
    Ich
schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich suche nur nach einer Dame, mit der ich
verabredet bin.«
    Ich
ging ein paar Schritte weiter, aber der Karaffenträger blieb im Windschatten an
meiner Seite.
    Â»Hatten
Sie einen Tisch bestellt, Monsieur?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf und wünschte mir, daß der
Herr in Schwarz mich einfach in Ruhe lassen würde.
    Â»Möchten
Sie Ihren Mantel vielleicht schon mal an der Garderobe abgeben, Monsieur?«
    Ich
blieb so abrupt stehen, daß er gegen mich stieß. Die Karaffe hielt dem Aufprall
nicht stand und verlor das Gleichgewicht. Ich spürte etwas Nasses in meinem
Rücken.
    Â»Ach,
du meine Güte, Verzeihung, Monsieur!« Mit einer einzigen schnellen Bewegung
stellte der Kellner das Tablett ab und hielt plötzlich eine Stoffserviette in
der Hand, mit der er

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