Du gehörst zu mir
ablenken und für eine Weile den Gastgeber spielen.«
»Lieber würde ich mir den Strick nehmen.«
Ein ironisches Lächeln huschte über Andrews Gesicht. »Der berühmte Logan Scott trägt sein Herz auf der Zunge.
Damit hätte ich nie gerechnet.«
Logan fühlte sich einfach zu elend für eine Retourkutsche.
Er betrachtete das an der Wand hängende Porträt von Madeline, das Orsini in ganz London Anerkennung und lobende Kritiken eingebracht hatte.
Der Künstler hatte sie in sitzender Haltung vor einem der Fenster porträtiert, ein Ellbogen ruhte anmutig auf einem Holztisch, während sie verträumt in die Ferne blickte. Ihr weißes Kleid war weit geschnitten, ein Ärmel kokett über ihre helle, wohlgeformte Schulter gerutscht.
Da er Madeline in Profilansicht dargestellt hatte, war es Orsini gelungen, ihre klassischen Gesichtszüge hervorzuheben, und er hatte ihren schlanken Hals, ihre entblößten Arme und ihre Schulter so gemalt der Betrachter einen Eindruck von ihrer samtweichen Haut gewinnen musste. Das Porträt bot eine Studie verwirrender Gegensätze: unschuldig und doch sinnlich, das Gesicht ernst die Augen durchtrieben funkelnd … Madeline als gefallener Engel.
»Reizend«, bemerkte Andrew, der Logans Blick gefolgt war. »Anhand dieses Gemäldes würde man nie vermuten, sie so eigensinnig sein kann.« Er grinste Logan an. »Sie wird die Geburt unbeschadet überstehen, Logan. Wenn ich noch dem Glücksspiel frönte, würde ich mein ganzes Geld darauf verwetten.«
Unmerklich nickend schaute Logan weiterhin das Gemälde an.
Während der letzten Monate war er so glücklich gewesen wie nie zuvor in seinem Leben. Madeline bedeutete ihm alles, sie hatte die Leere in seinem Leben ausgefüllt jede Bitterkeit und Qual verdrängt und ihm neue Impulse gegeben.
Er war schon seit langem in sie verliebt gewesen, aber jetzt liebte er sie mit jeder Faser seines Herzens. Für sie wäre er durch die Hölle gegangen, wenn er ihr damit Leid hätte ersparen können. Die Erkenntnis, sie den Schmerz der Geburt allein ertragen musste, er nichts für sie tun konnte, trieb ihn fast in den Wahnsinn.
Plötzlich hörte er das Schreien eines Babys. Das schrille Geräusch ließ Logan hochfahren. Kreidebleich wartete er, und es erschien ihm wie eine Ewigkeit obwohl in der Tat nur eine Minute verstrich.
Als die Tür aufsprang, erblickte er eine freudestrahlende Julia. »Mutter und Kind geht es hervorragend. Komm herein Papa, und wirf einen Blick auf deine wunderschöne Tochter.«
Logan starrte sie verständnislos an. »Ist Maddy …« Er hielt inne und fuhr sich mit der Zunge über seine Lippen; sein Mund war staubtrocken.
Lächelnd streichelte Julia seine Wange. »Sie hat es gut überstanden, Logan. Ihr geht es blendend.«
»Meinen Glückwunsch, Bruderherz«, erklärte Andrew, während er Logan die Brandyflasche aus der Hand riß. »Gib sie mit Du brauchst sie ohnehin nicht mehr.«
Wie benommen betrat Logan das Schlafzimmer. Skeptisch betrachtete Andrew die halbleere Flasche in seiner Hand und reichte sie schließlich Julia. »Hier«, brummte er. »Ich habe kein Vertrauen zu mir. Glücklicherweise kann ich noch genügend anderen Lastern frönen.«
Die herzlichen Glückwünsche des Arztes und der Hebamme kaum wahrnehmend eilte Logan zu Madelines Bett und setzte sich neben sie. Ihre Lider waren halb geschlossen, und sie strahlte ihn an.
»Maddy«, hauchte er mit brüchiger Stimme. Er nahm ihre Hand, führte sie zum Mund und drückte seine Lippen zärtlich in ihre Handfläche.
Als sie seine schmerzvolle Erleichterung bemerkte, murmelte Madeline beruhigend auf ihn ein und zog ihn zu sich hinunter. Leise seufzend presste er sein Gesicht an ihren Busen.
»Mir geht es gut«, raunte sie, während sie über sein Haar streichelte. »Es war alles halb so schlimm wie ich dachte.«
Seine Lippen fanden die ihren, und er entspannte, als er deren süße, vertraute Wärme spürte. »Ich hatte entsetzliche Angst«, bekannte er, als er sich von ihrem Mund löste. »Das möchte ich kein weiteres Mal durchmachen müssen.«
»Leider wird dir nichts anderes übrigbleiben, Liebling. Du möchtest doch sicherlich, sie irgendwann einen Bruder bekommt.«
Logan starrte auf das winzige Geschöpf in Madelines Armbeuge.
Das Baby war in Leinen- und Baumwolltücher gewickelt und sein kleines rosiges Gesicht blinzelte ihn fragend an.
Dunkelbrauner Flaum spross auf seinem Kopf. Verwundert berührte Logan das seidenweiche Haar.
»Hallo«, flüsterte er
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