Du gehörst zu mir
dem Oberhaus. Und was noch schlimmer war: Er verabscheute Musik, Kunst und Literatur – alles, was Madeline am Herzen lag.
Als er sie im Zimmer bemerkte, trat Clifton mit einem breiten Grinsen auf sie zu. Seine Mundwinkel schimmerten feucht. Madeline verabscheute es, dass er sie so anschaute, als sei sie sein Besitz. Sie war vielleicht unerfahren, trotzdem war ihr klar, dass er sie aufgrund ihrer Jugend, ihrer Gesundheit und auch ihrer Fruchtbarkeit ehelichen wollte. Als seine Gattin würde sie vermutlich so gut wie ständig schwanger sein, bis Clifton mit der von ihr geborenen Anzahl von Söhnen zufrieden war. Ihre Gefühle und Gedanken interessierten ihn wirklich nicht.
»Meine liebe Miß Matthews«, sagte er mit tiefer, krächzender Stimme, »Sie werden mit jedem Tag reizender.«
Er klang sogar wie ein Frosch, dachte Madeline, während sie sich bemühte, ein hysterisches Kichern zu unterdrücken. Seine feiste Hand umschloss die ihre und führte sie an seine Lippen. Sie schloss die Augen und musste gegen eine Gänsehaut ankämpfen, als sie seine feuchten Lippen auf ihrem Handrücken spürte. Clifton, der ihre Reaktion irrtümlich für jungfräuliche Schüchternheit – vielleicht sogar Nervosität – hielt bedachte sie mit einem wohlwollenden Lächeln.
Er bat sie, mit ihm draußen spazieren zu gehen, und ihre Einwände wurden aufgrund der begeisterten Zustimmung ihrer Eltern schlichtweg übergangen. Sie waren entschlossen, einen Mann von Cliftons Macht und Einfluss in ihrer Familie zu wissen. Lord Cliftons Wünsche waren ihnen Befehl.
Nur widerwillig berührte Madeline den ihr angebotenen Arm ihres Verlobten und schlenderte mit ihm durch den Park, einer langweiligen, makellos gepflegten Anlage aus Buchsbaumhecken, Kieswegen und Blumenkübeln.
»Genießen Sie Ihre Schulferien?« fragte Lord Clifton, während seine kleinen, aber dennoch schweren Füße über den grauweißen Kies knirschten.
Madeline hielt ihren Blick auf den Boden gerichtet. »Ja, danke, Mylord.«
»Zweifellos haben Sie, genau wie Ihre Schulkameradinnen, den Wunsch, das Internat zu verlassen% bemerkte Clifton. »Auf meine Bitte hin haben Ihre Eltern Sie zwei Jahre länger als die anderen Mädchen dort studieren lassen.«
»Auf Ihre Bitte hin?« wiederholte Madeline voller Verblüffung, dass er einen solchen Einfluss auf ihre Eltern ausübte. »Aber warum?«
»Ich dachte, dass es gut für Sie sei, meine Liebe«, erwiderte er mit einem selbstgefälligen Lächeln. »Sie brauchten Disziplin und den letzten Schliff. Eine vollkommene Frucht muss in Ruhe reifen. jetzt sind Sie nicht mehr so ungestüm wie früher, hm? Wie ich es beabsichtigte, haben Sie gelernt, sich in Geduld zu üben.«
Wohl kaum, hätte Madeline am liebsten gekontert, doch sie presste ihre Lippen zusammen. Die beiden zusätzlichen Jahre der gestrengen Erziehung an Mrs. Allbrights Institut für Höhere Töchter hatten sie beinahe in den Wahnsinn getrieben. Während dieser Zeitspanne hatte sich ihr impulsives und eigenwilliges Naturell noch verstärkt. Zwei Jahre zuvor wäre sie viel zu verängstigt gewesen, sich der von ihren Eltern arrangierten Eheschließung mit Clifton zu widersetzen. Aber jetzt waren die Begriffe ›Geduld‹ und ›Gehorsam‹ aus ihrem Wortschatz gestrichen.
»Ich habe Ihnen etwas mitgebracht«, bemerkte Clifton. »Gewiss hatten Sie schon mit einem solchen Geschenk gerechnet.« Er zog sie zu einer der Steinbänke und setzte sich so dicht neben sie, dass sie seinen beleibten Körper spürte. Schweigend wartete Madeline, bis sich ihre Blicke schließlich trafen. Clifton grinste wie ein gönnerhafter Onkel gegenüber einer spitzfindigen Nichte. »Es ist in meiner Jackentasche«, murmelte er und deutete auf die rechte Seite seines braunen Wolljacketts. »Warum, angeln Sie es nicht selbst heraus, mein schlaues Kätzchen?«
So hatte Clifton noch nie mit ihr geredet. Bei früheren Gelegenheiten waren sie immer sorgsam beaufsichtigt worden. »Ich schätze Ihre Freundlichkeit dennoch ist es nicht notwendig, dass Sie mir etwas schenken, Mylord.«
Madeline presste ihre gefalteten Hände zusammen.
»Ich bestehe sogar darauf.« Er zupfte an seinem Revers. »Holen Sie sich Ihr Geschenk, Madeline.«
Vorsichtig griff sie in seine Jackentasche, wo sie einen winzigen Ring ertastete. Als sie den Gegenstand herausnahm und betrachtete, raste ihr Herz vor Verzweiflung. Es handelte sich um einen schmalen geflochtenen Goldreif mit einem kleinen dunkelblauen Saphir. Das
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