Du gehörst zu mir
Lord Clifton von solch unbeherrschten Ausbrüchen heilt.«
»Erdverbunden«, flüsterte Madeline mit einem verbitterten Lächeln. Es war unglaublich, dass ihre Mutter den abstoßenden Charakter dieses Mannes mit einem solch banalen Wort umschreiben konnte. »Genau die Eigenschaft die sich jedes Mädchen von ihrem zukünftigen Ehemann erträumt.«
Zum ersten Mal war es wie eine Befreiung, an das Institut zurückkehren zu können, wo es außer dem Tanzlehrer, der den Mädchen einmal pro Woche Tanzunterricht erteilte, keine Männer gab. Mit einer Hutschachtel bewaffnet schlenderte Madeline durch den engen Flur. Ihre übrigen Habseligkeiten würde man später auf ihr Zimmer bringen. Als sie den Raum betrat, den sie mit Eleanor Sinclair, ihrer besten Freundin, teilte, waren die Betten und Stühle von einem halben Dutzend Mädchen belagert. Da Madeline und Eleanor mit ihren siebzehn Jahren die beiden ältesten Schülerinnen von Mrs. Allbright waren, wurden sie häufig von den jüngeren Mädchen besucht, die sie für erwachsen und weltgewandt hielten.
Die Mädchen schienen sich an einer Schachtel Kekse gütlich zu tun und brachen aufgrund einer von Eleanor hochgehaltenen, farbigen Abbildung in Begeisterungsstürme aus. Als Eleanor Madeline bemerkte, lachte sie ihr zur Begrüßung zu. »Wie war Lord Clifton?« fragte sie, da sie von Madelines geplanter Begegnung mit ihrem zukünftigen Verlobten wusste.
»Noch grässlicher, als ich erwartet hatte«, erwiderte Madeline kurz angebunden, während sie auf ihr eigenes, schmales Bett zusteuerte, das dem von Eleanor gegenüber stand. Sie warf die Hutschachtel zu Boden, setzte sich auf den Bettrand und hoffte, dass die Mädchen endlich verschwanden, damit sie sich in aller Ruhe mit ihrer Freundin austauschen konnte.
Bald, versprach Eleanors aufmunternder Blick, während die anderen Mädchen weiterhin aufgeregt tuschelten.
»Sieh ihn dir bloß an«, schmachtete eine von ihnen. »Kannst du dir vorstellen, wie es wäre, ihm tatsächlich zu begegnen?«
»Ich würde in Ohnmacht fallen«, beteuerte eine andere, und alle kicherten.
»Er ist der attraktivste.«
»Er sieht aus wie ein Vagabund.«
»Ja, irgendetwas in seinem Blick …«
Aufgrund der ergreifenden Seufzer ihrer Mitschülerinnen schüttelte Madeline den Kopf. »Gütiger Himmel, was schaut ihr euch da an?« fragte sie, zunehmend neugieriger geworden.
»Lass Madeline auch mal sehen.«
»Aber ich habe noch keinen einzigen Blick …«
»Hier, Madeline.« Eleanor reichte ihr die farbige Abbildung. »Meine ältere Schwester hat es mir geschenkt. Dieser Druck ist in London kaum zu bekommen. Jeder will eine Kopie.«
Madelines Blick fiel auf das Bild. Je länger sie darauf starrte, umso faszinierender fand sie es. Das Gesicht des Mannes hätte das eines Monarchen, eines Schiffskapitäns oder eines Vagabunden sein können … es wirkte energisch … und irgendwie gefährlich. Er war nicht im klassischen Sinne attraktiv – dafür waren seine Züge zu markant. Sein schmales Gesicht hatte etwas Katzenhaftes, sein Blick war stechend und durchdringend, seine Mundwinkel umspielte ein ironisches Lächeln. Sein Haar war – zumindest auf der Abbildung – von einem undefinierbaren Braun, und es schien dicht und leicht gewellt zu sein.
Die anderen Mädchen warteten darauf, dass sie errötete und genau wie sie kicherte, aber Madeline zeigte keinerlei Emotion. »Wer ist das?« fragte sie Eleanor in ruhigem Ton.
»Logan Scott.«
»Der Schauspieler?«
»Ja, ihm gehört das Capital-Theater.«
Während sie weiterhin das Bild betrachtete, durchfuhr Madeline ein seltsames Gefühl. Sie hatte schon von Logan Scott gehört, ihn bislang aber noch nie gesehen.
Mit seinen dreißig Jahren war Scott ein Darsteller von internationalem Ruhm, der sogar die von David Garrick und Edmund Kean gesetzten Standards übertraf. Manche meinten sogar, dass er den Zenit seiner Schaffenskraft noch nicht erreicht habe. Von seiner Stimme wurde behauptet, dass sie wie Samt in den Ohren klang und das Publikum mit ihrer berauschenden Intensität elektrisierte.
Es hieß, dass er von Frauen umschwärmt wurde, die nicht nur von seiner überzeugenden Darstellung des romantischen Helden fasziniert waren, sondern vielleicht eher noch von der des Erzschurken. Er begeisterte als Jago oder Barabbas … er war der begnadete Verführer, der Betrüger und Manipulierer, und dafür vergötterten ihn die Frauen.
Ein Mann in seinen besten Jahren, attraktiv,
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