Du gehörst zu mir
schweigend auf das winzige Porträt. »Wo ist sie jetzt?« wollte Madeline wissen.
Mrs. Florences Antwort war kaum hörbar. »Elizabeth starb vor vielen Jahren.«
»Oh, Mrs. Florence …« Madeline war voller Mitgefühl.
»Wir standen uns nie sonderlich nahe«, gestand die ältere Frau, während ihre Hände die Miniatur umklammerten.
»In frühester Kindheit war sie immer bei mir, doch als sie älter wurde, schickte ich sie auf ein Internat.«
»Warum?«
»Das Leben am Theater war ungeeignet für Elizabeth – und der Umgang mit meinen Gönnern. Ich wollte, dass sie behütet und kultiviert aufwuchs. Ich sorgte dafür, dass sie die feinste Garderobe, Bücher, Puppen … alles bekam.
Manchmal reisten wir gemeinsam. Wir sprachen nie über meinen Beruf oder meinen Lebenswandel. Ich träumte davon, dass sie eines Tages eine gute Partie machen und auf einem großen ländlichen Anwesen leben würde. Statt dessen …« Kopfschüttelnd brach Mrs. Florence ab.
Madeline dämmerten verschiedene Möglichkeiten, doch der melancholische Gesichtsausdruck der alten Dame verriet ihr die einzig plausible Antwort. »Elizabeth wollte so werden wie Sie«, entfuhr es Madeline plötzlich.
»Ja. Aus heiterem Himmel verließ sie die Schule und erklärte mir, dass sie Schauspielerin werden wolle. Ich flehte sie auf Knien an, ihren Entschluss zu überdenken, stieß jedoch auf taube Ohren. Der Drang zur Schauspielerei befällt häufig Menschen, die eine große Leere zu füllen haben. Zweifellos litt Elizabeth unter Defiziten, die sie nicht aufarbeiten konnte, wie beispielsweise dem Wunsch nach einem Vater und einer richtigen Familie. Ich tat mein Bestes für sie. Vermutlich war das nicht genug.«
»Was geschah mit ihr?«
»Im Alter von sechzehn Jahren hatte Elizabeth ihr Debüt am Theater. Sie bekam hervorragende Kritiken. Ihr Darstellungsvermögen besaß eine Ausstrahlungskraft, die meine bei weitem übertraf. Ich glaube, Elizabeth wäre eine der ganz berühmten Schauspielerinnen geworden, berühmter noch als Julia. Und obwohl ich Elizabeths Berufswunsch ursprünglich negativ gegenüberstand, setzte ich große Hoffnungen in sie.«
Seufzend legte Mrs. Florence die Miniatur zurück. »Bald nach ihrem siebzehnten Geburtstag lernte sie einen Mann kennen. Einen Adligen. Attraktiv, intelligent und skrupellos. Sie liebte ihn abgöttisch, hätte sogar ihre Karriere aufgegeben und alles hingeworfen, um seine Geliebte zu werden. Als sie schwanger wurde, war sie überglücklich.
Ich habe nie erfahren, was er von der Situation hielt aber es war ganz eindeutig, dass er keineswegs beabsichtigte, sie zu heiraten. Eines Tages …« Sie brach ab, ihre Mundwinkel zuckten, als fände sie nur schwerlich die richtigen Worte. »Seine Lordschaft schickte mir einen Boten, der mir mitteilte, dass meine Tochter im Wochenbett gestorben sei.«
»Und das Kind?« fragte Madeline nach längerem Schweigen.
»Mir wurde mitgeteilt dass das Baby ebenfalls nicht überlebt habe.«
»Wer war …«
»Ich möchte nicht von ihm sprechen, meine Liebe. Der Mann nahm meiner Tochter das Leben und bereitete mir soviel Schmerz, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Niemals wird sein Name über meine Lippen kommen.«
»Ich verstehe.« Madeline ergriff Mrs. Florences Hand und streichelte sie sanft. »Es berührt mich tief, dass Sie mich an Ihrer Vergangenheit teilhaben lassen, Ma’am.«
Weiterhin die Dose umklammernd, lächelte die alte Frau sie an.
»Befinden sich noch weitere Miniaturen von Elizabeth darin?« wollte Madeline wissen.
»Ja … aber ich ertrage es nicht, sie anzuschauen oder sie jemandem zu zeigen.«
»Selbstverständlich.« Neugierig betrachtete Madeline ihr Gegenüber und dachte im stillen, dass sich noch weitere Geheimnisse um Elizabeth rankten, die Mrs. Florence nicht preisgeben wollte.
Als Madeline am darauffolgenden Morgen das Capital betrat erfuhr sie, dass Arlyss Barry genau wie viele andere Ensemblemitglieder von der Krankheit heimgesucht worden war. Ihr Ehemann, der erste Bühnenmaler, war zu Hause geblieben, um sie zu pflegen. Die Herzogin war offensichtlich betroffen. »Es gehört schon viel dazu, Arlyss vom Theater fernzuhalten«, erklärte sie Madeline. »Ich möchte sie besuchen, doch der Herzog hat mir das untersagt. In der Tat bedrängt er mich, die nächsten Wochen zu Hause zu bleiben, bis die Krankheit abgeebbt ist.«
»Das klingt vernünftig«, Stimmte Madeline zu. »Vielleicht sollten Sie seinen Vorschlag
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