Du gehörst zu mir
Mrs. Bernard. »Nell schilderte mir, dass sie mit Ihnen zu einer Übereinkunft käme, falls irgendwelche Extras erforderlich würden. Vielleicht können Sie als Entschädigung einige Besorgungen für sie übernehmen. Wären Sie damit einverstanden?«
»Ja, ich meine …«
»Dann lassen Sie uns anfangen.«
Mit Hilfe der resoluten Schneiderin und der tatkräftigen Ruth wurde Madeline von ihrer ausladenden Baumwollunterwäsche befreit und mit einem Unterkleid und einer Unterhose ausgestattet die nicht einmal ihre Knie umspielten. Sie waren aus feinstem, dünnen Leinenstoff genäht und so leicht, dass sie das Gefühl hatte, nichts zu tragen. Als Madeline vor dem Spiegel stand und feststellte, dass sie leicht durchsichtig waren, errötete sie. Wenn ihre Mutter das wüsste, würde sie in Ohnmacht fallen.
Als nächstes kam das seidene Mieder, das vorn mit Haken und im Rücken mit Bändern geschlossen wurde, und das ihre Taille mindestens fünf Zentimeter schlanker wirken ließ. Fasziniert betrachtete Madeline ihr Spiegelbild. War es in der Tat das, was Männer wollten, und würde es Mr. Scott beeindrucken? Sie konnte es kaum erwarten, das herauszufinden.
Das erste Kleid, das Madeline anprobierte, war aus zartgelber, in sich gemusterter Seide. Obwohl es für eine wesentlich größere Frau angefertigt worden war, stand ihr die schlichte Linienführung gut zu Gesicht. Aufgeregt wartete Madeline, bis Ruth die Haken im Rücken geschlossen hatte.
»Hervorragend«, meinte Mrs. Bernard, während sie den Saum fachmännisch mit Nadeln absteckte. »Die meisten Frauen können diesen Gelbton nicht tragen, doch bei Ihnen unterstreicht er den Goldton Ihres Haars.«
Der runde Ausschnitt war halsfern und entblößte ihr Dekollete bis zum Brustansatz. Der Schnitt des Kleides war körperbetont und ließ ihre Taille unglaublich schlank wirken. Mattglänzende gelbe Seide umspielte ihre Hüften und fiel in kunstfertig genähten Falten zu Boden. »Ich sehe so anders aus«, hauchte Madeline mit angehaltenem Atem.
»Ganz gewiss«, erwiderte Mrs. Bernard. »Schade, dass Sie sich keinen Pelzkragen für das Kleid leisten können, aber vielleicht ist es auch besser so. Eine schlichte Erscheinung wirkt häufig anziehender.« Dann überwachte sie die Anprobe dreier weiterer Modelle: eines langärmeligen Kleides aus braunem Samt mit Spitzenbesatz, eines aus feinster blauer Kaschmirwolle und eines elfenbeinfarbigen, das so weit ausgeschnitten war, dass Madeline bezweifelte, es jemals in der Öffentlichkeit tragen zu können. Dazu gehörte ein passender Schal mit blassblauer Stickerei, der leger um die Schultern drapiert wurde.
Als Mrs. Bernard auffiel, dass Madeline die entsprechenden Schuhe fehlten, brachte sie ein Modell aus Samt dessen schmale Bänder den Knöchel umschlossen. »Sie waren der Kundin zu klein, die sie bestellt hatte«, sagte sie und lehnte Madelines Bezahlung kategorisch ab.
Nachdem der Nachmittag ein voller Erfolg geworden war, versprach Mrs. Bernard Madeline, dass die neue Garderobe innerhalb weniger Tage fertig sei, sofern Ruth die Zeit für die Änderungen fände. Madeline dankte den beiden Frauen überschwänglich. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.
»Sie müssen Nell Florence dafür danken«, erklärte ihr Mrs. Bernard. »Sie ist eine große alte Dame. Es war intelligent von Ihnen, mein Mädchen, Nell zu Ihrer Mentorin zu wählen.«
»Das hatte nichts mit Intelligenz zu tun«, erwiderte Madeline. »Es war eine Laune des Glücks. Wenn ich doch nur noch etwas mehr davon …«
»Sollten Sie das auf den Mann beziehen, dessen Aufmerksamkeit Sie sich wünschen, dann brauchen Sie kein Glück. Sobald er Sie in Ihrer neuen Garderobe sieht, wird er Sie erhören.«
»Das kann ich mir kaum vorstellen«, meinte Madeline lachend, während sie an Logan Scotts beherrschten Gesichtsausdruck dachte. Dann verabschiedete sie sich von der Schneiderin.
Kapitel 4
»In den Ateliers der Schneiderinnen erfährt man immer die neuesten und interessantesten Klatschgeschichten«, meinte Mrs. Florence nachdenklich, nachdem Madeline ihren Besuch bei Mrs. Bernard geschildert hatte. »Dort scheint die Gerüchteküche um Skandale und Intrigen besonders heftig zu brodeln. Ich wage zu behaupten, dass auch ich in vielen dieser Geschäfte für Gesprächsstoff gesorgt habe – die Frauen waren ständig in Sorge, dass ich ihnen ihre Gatten oder Geliebten abspenstig machen könnte.«
»Und, haben Sie das?« Madeline konnte sich die Frage nicht
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