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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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»Waldwinkel«, das er als wundervolles kleines Werk bezeichnet. Einspruch: Das ist es nicht. »Waldwinkel« ist ähnlich schief und misslungen wie »Viola Tricolor«.
    Als er noch verantwortlich zeichnete beim »Salon«, zahlte er an Autoren wie Heyse und Auerbach einen Friedrichsdor pro Druckseite, das waren fünf preußische Taler. Bei neunzehn Druckseiten im »Salon« wären das für den Stormschen »Vetter Christian« fünfundneunzig Taler gewesen. Storm verlangt aber 150 Taler. Rodenbergs Verleger Payne in Leipzig lehnt die Forderung ab. Nachdem die »Gartenlaube« und auch »Westermanns Monatshefte« schon den »Vetter Christian« abgewiesen haben, gibt Storm klein bei, der »Vetter Christian« erscheint im »Salon« im November 1873.
    1874 wird Rodenberg Redakteur der »Deutschen Rundschau«, und Storm bleibt sein Autor. »Waldwinkel« eröffnet eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Verlag der Gebrüder Paetel. Die Novelle geht mit dem Titel »Im Narrenkasten« an Rodenberg und mit dieser Forderung: Honorar 300 r [Reichstaler], zahlbar am 1. November 1874 .
    Siebenunddreißig Druckseiten belegt diese Novelle, die schließlich doch unter dem Titel »Waldwinkel« erscheint. Storm kann mit dem Honorar zufrieden sein. 300 Taler bei 37 Druckseiten bedeuten rund acht Taler pro Seite, damit gehört Storm zu den höchstbezahlten Autoren des damaligen Literaturbetriebs. Er ist sich seiner Bedeutung bewusst und weiß, daß auch nach außen hin meine Stellung jetzt im 60sten Jahre derart geworden ist, um einige außergewöhnliche Ansprüche erheben zu dürfen; d. h. in meiner Weise . Er rechnet also bei der Honorarforderung mit seinem guten Namen und mit dem Umfang des Textes.

Was nun?
    Im Garten blühen die Rosen, dort sitzt der Dichter gern; dort trinkt er seinen Tee, dort schreibt er Briefe. Nebenher lauscht er Kindergesprächen und hört die Hühner kakeln. Der August ist sein Ferienmonat. Im August 1874 erkrankt Johann Casimir schwer an gastrischem Fieber, schreibt Storm an Emil Kuh. Eine leichte Form von Typhus fesselt den Vater ans Bett, gleichwohl eine Krankheit, die uns keine Hoffnung auf Genesung läßt . Storm ist vorzeitig von einer Ferienreise zurückgekehrt und erlebt die letzten Lebenstage seines Vaters.
    Dass Johann Casimir klein und von schwächlichem Körperbau war, passt schwer in das Bild des bis zuletzt betriebsamen und zupackenden Mannes, den man sich eher stark und kräftig vorstellt. Dichtes braunes Haar hatte er bis zuletzt. Eitelkeit war ihm fremd. Er neigte zu Jähzorn und Rührseligkeit, hatte Sinn für Humor, den Sohn Theodor ihm absprach, er liebte seine »Spreen« (Stare) und Tauben und seinen Garten.
    Dass jetzt der Enkel Ernst nach bestandener erster juristischer Prüfung als Referendar bei seinem Vater am Amtsgericht arbeitet und zu Hause wohnen kann, bedeutet für diesen Erleichterung, auch Schutz der geliebten Behaglichkeit. Der umgängliche Ernst geht oft in die Hohle Gasse zu den Großeltern; als Johann Casimir auf dem Sterbelager liegt, nimmt er, ein Hüne von Gestalt, den abgemagerten Todkranken auf den Arm und trägt ihn, bis sein Bett frisch bezogen ist. Der Großvater legt seinen Arm um den Enkel und sagt: Ich danke dir, mein lieber Sohn.
    Am 14. September, Storms Geburtstag, sagt Doktor-Bruder Aemil: Wir haben keine Nacht mehr vor uns . Johann Casimirs Frau Lucie, seine vier Söhne und Enkel Ernst sind an seinem Sterbelager. Er stirbt am 15. September, in derselben Mitternachtsstunde, in der vor 57 Jahren ich, sein ältester Sohn, ihm war geboren worden. Seine letzten Worte: Was nun? Damit beschreibt er sich ein letztes Mal kurz und bündig und aufs Genaueste selber: Neugierig, selbstbewusst, ja mit einem letzten Schub Humor in seinem wachen Kopf will er ins unbekannte Reich des Todes übertreten. Und als Johann Casimir gestorben ist, hob Ernst, wie er es dem Lebenden gethan hatte, die kleine magere Todtengestalt seines Großvaters auf seinen Armen aus dem Bett und legte ihn in die letzte schwarze Truhe .
    Am Sonntag, den 20. September wird er beerdigt. Vom platten Lande, von den Inseln, aus der Stadt und den Städten des Landes waren sie gekommen, um ihren alten Freund, den kleinen schlichten und bescheidnen Mann zur letzten Ruhe zu geleiten, der so Vielen geholfen, selbst wenig Hülfe bedürfend , schreibt Storm an seinen jungen Freund, den Maler und Zeichner Hans Speckter. Vierzehn Enkelkinder folgen dem Sarg auf dem Weg zum Friedhof, wo er beerdigt wird in einem Grabe mit

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