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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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brachte den begabten jungen Mann in die Wasserreihe, sein Vater fand Gefallen an ihm.
    Storm schickt Karl auf das Konservatorium nach Leipzig. Dort besteht er die Aufnahmeprüfung. Karls eigentliche musikalische Begabung liegt in der vom Vater geerbten Singstimme, seine Konzentrationsschwäche aber beeinträchtigt ihn, und weder im praktischen Klavierspiel noch in der Musiktheorie glücken ihm besondere Leistungen.
    Kurz nachdem Karl in Husum ausgezogen ist, findet man zu Storms Entsetzen in seinem Zimmer pornographische Zeichnungen. Der ungläubige Vater schreibt dem Sohn einen mahnenden Brief und gebraucht Wörter, die sonst eher überzeugte Christen in den Mund nehmen: Sünde und Teufel .
    Ob Karl nun wie ein Ertappter die Lust am Studium verliert? Gärtner will er jetzt werden, wie Onkel Otto, und Storm stöhnt auf in einem Brief an Hans: Du lieber Gott . Als er Karl 1872 nach seinem Besuch in Leopoldskron in Leipzig besucht und feststellen muss, dass er sein Studium geschwänzt hat, mag ihm die anstößige Zeichnung wieder in die Knochen fahren. Geschlechtskrankheiten und Alkoholismus sind Probleme in der Storm- und Esmarch-Verwandtschaft und können als Erbübel auch seine Söhne befallen.
    Wahrscheinlich hat Karl sich schon damals mit Syphilis angesteckt; kein Wort davon an seinen Vater. Während ihn bereits diese Krankheit plagt und er dazu schweigt, redet ihm der ahnungslose Vater ins Gewissen: Laß Dich, mein alter lieber Junge, nur nicht zur Liederlichkeit verführen; das würde Dich bei Deinen körperlichen Verhältnissen zerstören; zumal auch jetzt nach dem großen Kriege jene Orte mehr denn je die Brutnester der furchtbaren Krankheit sind, die ungesehen kommt, und in vielen Fällen das ganze Leben der Menschen in jahrelanger stiller Arbeit untergräbt .
    Er warnt auch angesichts des Schreckens, den sein Ältester ihm einjagt. Hans bringt inzwischen Leben und Geld durch und zieht wie ein Getriebener von einem Studienort zum andern. Zunehmend frönt er dem Alkohol, mehr und mehr verbummelt er sein Studium. Als er im Mai 1872 von Marburg nach Hause kommt, hat er Schulden hinterlassen, seine Uhr hat er versetzt. Zu Hause verzecht er die Abende.
    Kneipen gibt es genug; gleich gegenüber seinem Elternhaus in der Wasserreihe wohnt der »Wirth und Arbeiter« Carstensen, vier weitere Wirte haben ihre Gaststuben in dieser Straße, und in der sich an die Wasserreihe nach Westen anschließenden Kleikuhle 1, 2 und 3 haben weitere drei Wirte ihr Quartier. Hans trinkt zusammen mit Adolph Möller im Ratskeller am Markt bis spät in die Nacht. Möller, den Storm in seinem Gesangverein nicht entbehren mag, ist für Hans gerade der »Richtige«, auch er Alkoholiker. Der Vater, der den Sohn gern in Briefen an Freunde und Kollegen als »stud. med.« vorführt und als angehenden Doktor vorzeitig feiert, muss jetzt, vor der eigenen Haustür in Husum, Wahrheit und Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen.
    Die Sauferei im Ratskeller spricht sich schnell herum, Storm fürchtet um seinen und seiner Familie Ruf. Man fängt an, ihn mißtrauisch und mit wenig Achtung zu sehen, schreibt er an seinen Sohn Ernst, und, große Enttäuschung: Der Doctor ist denn nun auch wieder auf den Herbst verschoben . Den will Hans nun in Kiel ablegen.
    Storms Ekel und Abscheu vor Bier und Biertrinkern entstammen nicht nur schlechten Erinnerungen seiner Studentenzeit. Bier und Biertrinker zählen in seinen Augen zu einer Gesellschaftsschicht, die nicht seinen Rang hat. Getränke seines Standes sind Champagner, Ananasbowle und Wein, der ihm nicht süß genug sein kann. Sein Favorit, den er vor Jahren zum ersten Mal mit Wilhelm Jensen in Schleswig kostete, ist der honigsüße »Château d’Yquem«.
    Nun also zieht Hans die Familienehre mit seiner nicht standesgemäßen, billigen Biersauferei in den Schmutz. Er weiß genau, was sein Vater davon hält. Aus einem Brief Storms an den Studenten Ferdinand Tönnies, für den er väterliche Gefühle hegt, weil er selber gern so einen begabten Sohn hätte, liest man Wut und Ekel über das Bier und die Biertrinker heraus: Gewöhnen Sie sich nicht an das verdammte Biersaufen. Sehen Sie sich immerhin nur die auf solchen Bieruniversitäten sich umtreibenden fetten Alkoholgestalten an, und schaudern Sie ein wenig dazu. Ich kann diese meine Bierpredigt, wie gegen meine Jungens, so auch gegen Sie, lieber Ferdinand, nicht zurückhalten .
    Ernst dagegen entwickelt sich gerade jetzt für Storm in eine günstige Richtung, trotz

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