Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
mehrere Tage. Patientenberichte sind zu schreiben, Visiten und Fragen am Krankenbett sind zu überstehen. Es scheint gut zu gehen. Vier Stationen des medizinischen Staatsexamens sind geschafft. Storm reist ab, eine letzte Hürde muss der Sohn jetzt noch nehmen, sie gilt aber, so wird ihm versichert, als reine Formsache. Am 7. März ist Storm wieder zu Hause, gleich am nächsten Tag schreibt er an Pietsch, Hoffnung und Erleichterung klingen durch: Die Doctordissertation ist auch fertig (über Descartes) und mit einer kleinen Dosis Zweifel fügt er an: und wird wohl eingereicht sein .
Am 11. März, als Storm von der Generalprobe für das nächste Konzert seines Gesangvereins nach Hause kommt, erreicht ihn die Nachricht, dass Hans durchgefallen ist. Storm ergeht sich in der bekannten Mischung aus Selbstmitleid und Vorwürfen und lästert den lieben Gott, wie das nur ein Heide von echtem Schrot und Korn zu tun vermag. An Karl schreibt er in diesen Tagen: Ich bin ja nun mal Kreuzträger; und habe für undankbare Kinder zu sorgen und zu leiden .
Er befiehlt seinen Sohn sofort nach Hause. Hans ist gewohnt, von seinem Vater Befehle entgegenzunehmen, er beachtet sie kaum, er befolgt sie meistens nicht, auch jetzt hält er sich zurück. Wie soll Storm seine Befehle von Husum aus nach Würzburg an den Mann bringen? Die Verbindung, die er mit Erich Schmidt geknüpft hat, bewährt sich. Gleich erhält der ein Gedicht, das mit dem Versmaß holpernd um ihn wirbt: Ich habe Deine Hand gefaßt, / Und werde suchen sie zu halten; / Mein junger Freund, ich hoffe fest, / Du wirst noch einer von den alten. Storm bittet um Kurier- und andere Hilfsdienste. Der junge Mann steht dem bewunderten Dichter gern zu Diensten und macht sich nützlich. Kein Wunder, dass Hans dem fünf Jahre jüngeren, von seinem Vater bewunderten Professor aus dem Weg geht. Der kluge Schmidt geht taktvoll an die Aufgabe, fühlt sich ausgezeichnet, weil er spürt, dass Storm ihn auch ein bischen lieb gewonnen hat. Versuche, Hans zu treffen, schlagen fehl. Schmidt spürt selber warum: Er wird ja nicht meinen, daß ich, der jüngere, mir ihm gegenüber eine Führerrolle anmaßen will, sondern gewiß fühlen, wie fest ich dem Hause Storm verbunden bin. Genau das weiß Hans, denn das »Haus Storm« ist nur einer: Theodor. Darum misstraut er dieser festen Verbindung zwischen seinem Vater und Erich Schmidt, der nun herausgefunden hat, daß an dem letzten Mißerfolge nicht der Mangel an Kenntnissen, sondern der Umstand Schuld trug, daß Hans vorher, wahrscheinlich, um seine Aufregung zu bemeistern, etwas zu viel getrunken hatte .
Ein Treffen kommt dann doch zustande. Hans wolle nicht nach Hause, schreibt Schmidt, denn er fürchtet peinliche Wochen und besonders sich wiederholende Vorwürfe . Erich Schmidt ist in der Regulierung dieser Vater-Sohn-Angelegenheit eine Zumutung.
Im Juli, endlich, atmet Storm wieder einmal auf; denn die Klippe ist genommen. Hans schafft die Prüfung in Würzburg. Kalt und grau ist der Juliabend, an dem Storm dieses seinem Freund Georg Lorenzen in Fobeslet mitteilt und noch einen kleinen Irrtum anfügt: Mein böser Bube Hans ist mit seinem Staatsexamen fertig u. hat schon ein festes Engagement .
Völlig unpassend platzt Karl mit seinem Syphilis-Problem in Storms Sorgen mit dem Ältesten. Gott sei Dank ist da noch Ernst, der als Referendar in Husum bei Rechtsanwalt Stemann tätig ist. Das Warten auf Briefe ist Vater viel unangenehmer bei seiner ungeduldigen Natur, als böse Nachrichten, erklärt er seinem schweigenden Bruder und fügt geflügelt hinzu: besser Schreiben als Schweigen . Vater und Sohn lesen den Frauen des Hauses Paul Heyses »Elfriede« vor. Ernst erweist sich als ein vorzüglicher Vorleser mit zum Herzen dringenden Organ, wie Storm seinem Münchner Freund mitteilt. Lässig und fidel kommt dieser Sohn zur Freude des Vaters daher, und den »Schnacker« in ihm sieht er, der ähnlich Besaitete, mit Wohlgefallen. Keine Gelegenheit für Tanz, für Flirt und Geplänkel lässt Ernst verstreichen, keine Abendgesellschaft ohne ihn. Ganz der Kavalier führt er den Damen Tänzer zu, er berichtet Karl von den jungen Frauen der Stadt, von ihren Liebschaften und Verlobungen. Und statt daß er früher ein großer Trinker, so ist er jetzt ein großer Tänzer, schreibt Storm nach Stuttgart an Karl, zufrieden notiert er, Ernst sei ein ordentlicher bürgerlicher junger Mann geworden, der seine Pflicht thut und mäßig in Genüssen ist .
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