Du hast meine Sinne entflammt
schon ausfragen über ihren Bruder, aber dann unterdrückte sie diesen Wunsch doch. Es war besser, wenn sie sich selbst ein Bild machte. Völlig ohne Einwirkung und Beeinflussung anderer.
„Wohnst du auch im ‚Comanche‘?“ fragte sie stattdessen.
„Ja, für eine Woche.“
Als sie auf den Parkplatz kamen, schlug Diana den Kragen ihres Wintermantels hoch. Der Wind pfiff eisig vom Meer her, der Himmel war von schnell dahintreibenden Wolken bedeckt, und der hart gefrorene Boden zeigte überall noch Reste von Schnee.
„Nicht gerade die beste Zeit, um den Urlaub am Meer zu verbringen“, sagte sie.
„Die meisten Leute, die jetzt hier sind, kommen nicht des Meeres wegen, sondern um zu spielen. Wenn sie erst einmal in den Casinos sind, hat das Wetter keine Bedeutung mehr.“
Diana reichte ihm nur bis zur Schulter. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. „Bist du auch deswegen hier – um im Spiel dein Glück herauszufordern?“
„Nein, nicht unbedingt.“ Caine sah sie an. Der wolkenverhangene Himmel spiegelte sich in ihren dunklen Augen. „Ich habe nichts gegen ein Spielchen dann und wann, aber der wirkliche Spieler in unserer Familie ist Rena.“
„Dann passt sie zu Justin.“
Caine stellte den Koffer ab und holte die Autoschlüssel aus der Tasche. „Ich überlasse es dir, das herauszufinden.“ Dann packte er ihr Gepäck in den Kofferraum und schloss ihr die Beifahrertür auf. „Diana …“ Er legte ihr die Hand auf den Arm und hielt sie fest.
Noch nie hatte jemand ihren Namen so ausgesprochen – sanft, beinahe zärtlich hatte es geklungen. Erstaunt sah sie zu ihm auf. Er stand ganz nah vor ihr, und plötzlich strich er mit einem Finger die Ponyfransen aus ihrer Stirn. Diese merkwürdige Berührung überraschte Diana so sehr, dass sie stehen blieb und kein Wort sagte.
„Diana, es gibt Dinge im Leben, die sind ganz anders, als es zuerst den Anschein hat.“
„Ich verstehe dich nicht. Was willst du damit sagen?“
Einen Augenblick lang standen sie in der kalten Winterluft. Vom Flugfeld her hörten sie den Lärm der landenden und startenden Maschinen. Diana war es, als könnte sie die Wärme seiner Hand durch den dicken Mantelstoff hindurch spüren. Seine Augen blickten sie so sanft an, wie es eigentlich gar nicht zu dem harten, männlichen Gesicht passte. Für einen Moment vergaß sie den Ruf, den Caine MacCregor wegen seiner ständig wechselnden Frauenbekanntschaften hatte. Am liebsten hätte sie sich an ihn geschmiegt und ihn um Rat und Trost gebeten – obwohl sie nicht hätte sagen können, wovor er sie beschützen sollte.
„Du bist sehr hübsch“, murmelte Caine und nahm den Blick nicht von Dianas Gesicht. „Gib Justin eine Chance, ja?“
Völlig verwirrt sah sie ihn an. „Aber hab’ ich das denn nicht schon getan, indem ich gekommen bin?“
„Vielleicht.“ Caine ließ sie los und ging hinüber zur Fahrerseite.
„Du scheinst nicht davon überzeugt zu sein.“ Diana setzte sich und schlug die Tür zu.
„Nun, ich würde eher meinen, dass deine Neugierde dich hierher gebracht hat.“
„Zumindest kann man dir keine mangelnde Offenheit nachsagen“, erwiderte Diana schmunzelnd.
„Du wohnst in Boston, habe ich gehört? In welchem Stadtteil?“
„Ich bin gerade in meine eigene Wohnung gezogen. In der Charles Street.“
„Die Welt ist doch klein“, murmelte Caine. „Da sind wir ja beinahe Nachbarn. Was tust du in Boston?“
Diana legte ihre langen Beine übereinander und sah ihn von der Seite an. „Dasselbe wie du.“ Caine zog überrascht die Brauen hoch. „Erinnerst du dich noch an Professor Whiteman?“ fuhr sie fort. „Er hat eine sehr hohe Meinung von dir.“
Caine blickte kurz zu ihr hinüber. „Nennt man ihn immer noch Skelett?“
„Natürlich. Das gibt wohl eine Studentengeneration an die nächste weiter.“
Caine lachte und schüttelte den Kopf. „So, dann hast du also Jura in Harvard studiert? Es scheint, dass wir beide doch mehr Gemeinsamkeiten haben, als zunächst angenommen. Eine Familie, eine Uni, derselbe Beruf. Wo arbeitest du?“
„Bei Barclay, Stevens und Fitz.“
„Hm, gute Kanzlei.“
Diana lachte und lehnte sich wieder in ihren Sitz zurück. „Ja, und vor allem bekomme ich dort ungeheuer interessante und wichtige Fälle. Vorige Woche zum Beispiel musste ich den Sohn eines Senators verteidigen, der der festen Überzeugung ist, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen für ihn nicht gelten.“ Sie war sichtlich amüsiert
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