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DU HÖRST VON MIR

DU HÖRST VON MIR

Titel: DU HÖRST VON MIR Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luis Algorri
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halt, hol die Fahrkarten noch nicht, besser, wir fahren heute Nachmittag.«
    »Wie?«
    »Hier, bitte. Zweimal Santa Marina.«
    Ich nahm das Wechselgeld in Empfang und trat vom Schalter zurück. Ich sah mich suchend um.
    »Sie ist gegangen«, sagte José. Er war sehr ernst und bleich.
    »Das seh ich auch.«
    »Warum bleiben wir nicht lieber hier?«
    Ich hielt ihm die beiden Stücke bedruckten Papiers hin, die mit blauem Kugelschreiber ungeschickt ausgefüllt waren, mit dieser enormen geneigten und unleserlichen Handschrift, typisch für einen Schalterbeamten.
    »Hier sind die Fahrkarten. Willst du lieber hier bleiben?«, fragte ich ihn.
    »Ich... äh... was ich vor allem nicht will, ist, dass du Ärger mit Ana hast und ich daran schuld bin.«
    »Wenn ich Ärger mit deiner Schwester habe, dann sind wir daran selber schuld. Du hast damit überhaupt nichts zu tun.
    Wenn du lieber hier bleiben willst, dann bleib!« Warum musste meine Stimme so schroff klingen? »Ich jedenfalls fahre.«
    »Du ganz allein?«
    »Nein, ich fahre nicht allein. Ich fahre mit Gaius Sueton Tranquillo. Das Buch ist im Rucksack. Ich dachte mir, ich guck mal nach, wie viel du eigentlich in der Prüfung abgeschrieben hast, du Früchtchen.«
    Ich lächelte. Ich schaffte es zu lächeln, und er schaute mir in die Augen.
    »Dir ist echt zuzutrauen, dass du wirklich das Lateinbuch mitgenommen hast«, sagte er prüfend.
    »Natürlich ist mir das zuzutrauen.« Ich lud mir den Rucksack auf. »Und du...? Kommst du nun mit oder willst du mich fünf Tage mit Tiberius Nero allein lassen?«
    Wie unglaublich schön war er, wenn er lächelte.
    »O.k., o.k. Letztendlich musst du es wissen. Aber gib mir nachher nicht die Schuld, ja? Ich hab bei Ani sowieso schon verschissen...«
    Über den Lautsprecher wurde die Abfahrt des Busses nach Santa Marina angekündigt. Ich nahm den Arm von José und zog ihn mit festem Griff in Richtung Bus. Wir kamen gerade noch recht, um unsere Rucksäcke im riesigen Kofferraum zu verstauen. Der Bus war halb leer. Wir ließen uns auf die hintersten Bank fallen. Als der Dieselmotor rüttelnd angelassen wurde, vibrierte die gesamte alte Metallkarosserie. Ich suchte nach einer Zigarette.
    »Ach nee...«
    »Ach nee, was?«, fragte ich abwesend.
    »Nichts. Guck mal, wer da ist.«
    Ich sah aus dem Fenster. Draußen stand Ana mit völlig verheultem Gesicht und lächelte mir zu. Mir schnürte es die Kehle zu. Während der Bus zu manövrieren begann, langsam, im Rückwärtsgang, rief mir Ana, wie sie da stand, mit ihrem Bubikopf, ihren dürren Armchen, so traurig, so klein und allein, immer wieder ›Ich liebe dich‹ zu, ohne Stimme, nur so, dass ich es von ihren Lippen ablesen konnte. Sie gab einen Kuss in ihre Handfläche und pustete ihn mir zu, lächelnd, wienend. Auch ich führte einen Finger an meine Lippen und  drückte ihn von innen gegen die Fensterscheibe. Ich sah, wie sie mich gestikulierend bat, sie anzurufen; wie sie mir zuwinkte, mit dem ganzen Arm. Ich sah auch gerade noch, als der Bus anfuhr und den Busbahnhof verließ, wie sie sich umdrehte, allein in Richtung Ausgang ging, und sich die Tränen am Ärmel meines alten Anoraks abwischte.
    Ich drehte mich um. José rauchte schweigend, mit bitterem Gesichtsausdruck, gegen das gegenüberliegende Fenster gelehnt, und betrachtete die vorüberziehenden Bäume, Autos, Menschen, während der Bus sich auf der Avenida stadtauswärts bewegte.
    Wie kannst du so etwas nur tun?, meldete sich eine Stimme in mir von irgendeinem unerfindlichen Ort.
    Eine Stunde später hielten wir in einer Kleinstadt. Der Fahrer kündigte fünfzehn Minuten Pause an. José und ich stiegen aus, um unsere Glieder zu strecken und zu frühstücken. Während er seinen Kaffee austrank, bat ich um ein Telefonbuch.
    Ich fand die Nummer, die ich suchte. »Ja, hier«, sagte man mir, »Blumenlieferservice... Wie? Sind Sie sicher?... Einen Augenblick, ich benötige dazu die Nummer Ihrer Kreditkarte...«
    Das Mädchen, das mich bediente, muss ein recht komisches Gesicht gemacht haben, aber sie sicherte mir zu, dass Ana an den folgenden fünf Tagen, allmorgendlich pünktlich um halb zehn einen Strauß mit zwölf roten Rosen geschickt bekäme.
    Als ich auflegte, waren die Leute bereits wieder dabei, in den Bus einzusteigen. Ich ließ meinen Kaffee stehen. José schaute mich sorgenvoll an.
    »Ist sie immer noch sauer?«
    »Wer?«
    »Wer wohl? Sie.«
    »Ich habe gar nicht mit deiner Schwester telefoniert.«
    »Ach so, ich hatte den

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