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DU HÖRST VON MIR

DU HÖRST VON MIR

Titel: DU HÖRST VON MIR Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luis Algorri
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Taille. Zu unserer Linken glänzte der Park in der Sonne. Ich sah im Augenwinkel Rentner auf Bänken im Schatten, Leute durchquerten lustlos den Park in Richtung Brücke, eine Mutter mit Kindern am Arm. Ich sah das kleine gelbliche Häuschen des Kinderverkehrübungsplatzes, den Metallzaun, die kleinen durstigen Bäumchen neben der Miniaturfahrbahn.
    Es war wie ausgestorben. Der Park war tagsüber ein freundlicher Ort. Einen Moment schoss mir das Gesicht des blonden Jungen durch den Kopf.
    »Na gut, José, versprochen ist versprochen.«
    »Was ist versprochen?«
    »Sollen wir jetzt bei mir zu Hause vorbeigehen und den Rucksack holen, oder soll ich ihn dir heute Nachmittag mitbringen?«
    Er zuckte zusammen.
    »Aber... meinst du wirklich, dass wir verreisen? Zu den Picos, du und ich? Ernsthaft?«
    »Bei fünf von fünf, oder nicht? So war es abgemacht. Und du hast gewonnen!«
    »Ich dachte, du würdest dich gar nicht mehr daran erinnern.«
    Ich hätte ihn umbringen können.
    »Wir holen den Rucksack nach dem Essen. Du packst dein Zeug zusammen und morgen früh nehmen wir den Bus um halb zehn. Vergiss nicht, eine Regenjacke einzupacken, da oben kann man nie wissen. Und schlepp dich bloß nicht mit Konservendosen ab, das kaufen wir alles in den Dörfern, in Posada oder in Cordiñanes...«
    »Javier...«
    »Dein Schlafsack ist o.k., obwohl es da oben nachts ganz schön kalt werden kann. Aber ich nehme ja den Daunenschlafsack mit, da kommen wir zurecht.«
    »Javier, hör mal...«
    »Was denn?«
    »Na, ich weiß auch nicht... Was für ein Glück ich habe.«
    »Wieso?«
    »Na, dass ich dich kennen gelernt habe, dass du mein Freund bist, dass du dich so um mich gekümmert hast. Du  bist einfach ein Supertyp, echt. Wenn du nicht gewesen wärst, dann...«
    Ich unterbrach ihn.
    »Pass auf, deine Mutter!«
    »Meine Mutter? Was hat die denn damit zu tun?«
    Ich strubbelte ihm durch die Haare.
    »Also, wenn du nicht aufhörst, so ein Zeug zu reden, dann werde ich mit knallrotem Kopf bei euch zu Hause ankommen und deine Mutter wird denken, ich hätte irgendein ansteckendes Fieber und wird dich morgen nicht mit mir fortlassen.«
    Er lachte und drückte meine Schulter. »Du bist echt total durchgeknallt!«
    »Ich? Ich bin doch ein Heiliger.«
    Wir bogen um die Ecke, redeten und lachten. Plötzlich ließ José mich los. »Warte einen Moment, Javier, ich bin gleich wieder da.«
    »Was ist denn los?«
    »Nichts, ich bin in einer Sekunde zurück, o.k.?«
    Er rannte los und überquerte die Straße. Auf der anderen Seite in der Sonne stand ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren, fuchtelte mit den Armen, sah in an und lachte ihm zu. Ich erkannte das Mädchen aus dem Schwimmbad. Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich sah, wie José mit ihr redete, wie er lächelte, wie er vor ihrem Gesicht eine Hand hob und alle fünf ausgestreckten Finger zeigte. Sie stieß einen Schrei aus, der bis zu mir herüberdrang, machte zwei oder drei Sprünge und fiel ihm dann um den Hals und küsste ihn auf den Mund. Ich drehte mich weg, zitternd. Ich stand vor dem Schaufenster eines orthopädischen Fachgeschäfts.
    Hinter der Scheibe standen ein Plastikkopf mit einem Verband auf der Stirn, ein paar metallne Apparate, und mehrere  Schachteln mit Pflastern. Pflaster, dachte ich, wir müssen Pflaster mitnehmen. José bekommte bestimmt Blasen an den Füßen. Ich suchte nach einer Zigarette. Die Zigaretten waren mir ausgegangen.

Zweiter Teil
    D utzende, hunderte von Menschen; unzählige Bündel, Pakete, verschnürte Pappkartons, prall gefüllte Koffer, Plastiktüten. An einem Sommersamstagmorgen um neun Uhr morgens war der Busbahnhof so etwas wie ein menschlicher Ameisenhaufen. José und ich, beide in karierten Hemden, klobigen Stiefeln und dicken Wollsocken, er in Jeans, ich in meiner kurzen bayrischen Hose aus dunkelblauem Loden, beladen mit unseren Rucksäcken, bahnten uns unseren Weg durch dieses Getümmel. Die Schlange am Schalter für den Bus zu den Picos war eine der kürzeren. Wir stellten unser Gepäck auf dem Boden ab.
    »Hast du eine Zigarette, Javier?«
    »Klar, warte... Mist, ich habe das Päckchen zu Hause liegen lassen. Irgendwas vergesse ich immer, zu blöd.«
    »Ist doch egal, ich kann ja mal welche kaufen gehen. Weißt du, wo der Kiosk ist?«
    »Es gibt einen Automaten in der Cafeteria; um diese Zeit ist der Kiosk noch zu. Aber mach schnell!«
    Ich verschränkte die Arme und betrachtete die schmutzige grüne Kachelwand, auf der viele Reste von

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