Du + Ich = Wir Zwei, 1
die Büroräume von King Productions von A bis Z. Den verzweifelten Annäherungsversuchen Wilsons zu entkommen, erfordert nicht die meiste Kraft und ist auch nicht das, was mich nachts wach hält. Clooney ist nur ein unbedeutender Störenfried. Das Problem liegt woanders und ist von ganz anderem Kaliber. Es heißt Vadim King und es plagt mich mehr, als ich zugeben will. Unser letztes – elektronisches – Gespräch liegt 72 Stunden zurück und bleibt mir immer noch im Halse stecken. Ganz zu schweigen von den Bildern, die mich nicht mehr loslassen. Sie kreisen ständig in meinem Kopf herum. Die Blicke, die wir während dieser mehr oder weniger nüchternen Besprechung ausgetauscht haben, seine Hand, die die Wange von Grace Montgomery streichelte, sein triumphierendes Lächeln, als er mich auf frischer Tat dabei ertappte, wie ich einen Eifersuchtsanfall hatte … Wenn ich nur daran denke, möchte ich ihm am liebsten eine runterhauen oder ihn gegen eine Wand drücken, um ihn dann zu berühren, zu spüren, zu küssen. Fazit: Ich stecke ziemlich in der S...... Und das ist erst der Anfang.
Die einzige Spur von Freude und (platonischer) Erregung bereitet mir im Moment: Mein renoviertes Büro, es ist gerade fertig geworden! Endlich konnte ich meine Kisten in dieser Oase des Friedens abstellen. Der Raum ist sonnendurchflutet und voller positiver Energie. Hier fühle ich mich im Einklang mit mir selbst, in Sicherheit. Vielleicht auch, weil Vadim King und Joseph Wilson hier noch keinen Fuß hineingesetzt haben. Die wahnsinnig großen weißen Wände mit mausgrauen Sockelleisten haben mir das Lächeln zurückgebracht. Das Mobiliar, das zwar schlicht, aber modern ist und unter Einfluss des Zen steht, lässt meinen Blutdruck sinken und hilft mir, neue Perspektiven zu sehen. Alles wird wieder gut. An Vadims Seite zu arbeiten, wird sich als einfacher herausstellen, als ich befürchtet habe. Ich mache mir bestimmt grundlos Sorgen.
Die Grenze zwischen sich Mut zureden und sein Antlitz verbergen ist schwindend gering …
Ja, gut. Der Weg ist lang, aber nichts ist unmöglich. Genau in diesem Augenblick meldet sich die herablassende Stimme meines Vaters in meinem Kopf, um sich in meinen inneren Monolog einzuschalten …
„Mein Kind, keine falschen Ausreden, kein Gejammer. Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst!“
Edward Lancaster, Weltmeister im Lektionen erteilen.
Seit drei Tagen habe ich nicht mit meinem launischen Vorstandsvorsitzenden gesprochen. Ich weiß auch nicht mehr, wie ich mit ihm umgehen soll. Er lässt mir keine Ruhe, bringt mich durcheinander, ich erkenne mich nicht wieder. Gelegentlich sind wir uns über den Weg gelaufen, aber wir haben dabei weder Blicke getauscht noch ein Wort miteinander gewechselt. War er vielleicht im Aufzug? Ich entschied mich, den Aufzug zu nehmen. Oder war er vielleicht doch am Ende des Flurs? In allerletzter Minute kehrte ich wieder um. Oder war er vielleicht in der Kantine, der Snackbar oder im Restaurant um die Ecke? Ich hatte nicht wirklich Hunger. Oder war er in einer Besprechung? Ich entschied kurzerhand, dass meine Anwesenheit nicht Pflicht war. Flucht war aber auch keine Lösung. Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen … Dieses Katz-und-Maus-Spiel darf so nicht mehr lange weitergehen. Nicht, wenn ich meinen Job behalten will.
Nicht, wenn ich den einzigen Mann zurückerobern will, der mich nie dazu aufgemuntert hatte, alles für ihn aufzugeben …
Dein Job, Alma, denk an deinen Job!
Er ist mir zufällig ein wenig über den Kopf gestiegen, aber nur ein paar Wochen lang. Mir war bewusst geworden, dass ich auf diese Stelle stolz sein kann und dass ich mehr Leidenschaft dafür aufbringen soll. Es ist nur das Gefühl, das einem unter die Haut geht, das dafür sorgte, dass ich in der Filmindustrie arbeiten wollte. Vor der Kamera zu stehen, hatte mich noch nie gereizt, oder besser gesagt, ich habe für das Schauspielern nicht das notwendige Talent. Es war meine Berufung, mein Leben hinter der Kamera zu verbringen. Alma Lancaster, Regisseurin. So sah ich mich bereits. Nachdem ich aber von einem einjährigen Studienaufenthalt aus den USA zurückkam, hatte mich meine harte Rückkehr nach Frankreich von diesem Weg weit abgebracht. Mit einer Ausbildung an einer renommierten Business School, einer Spezialisierung auf Foto-Kino-Ton und einem Diplom in der Tasche fand ich mich auf dem Arbeitsmarkt wieder. Ich wollte in einer großen Produktionsfirma arbeiten. Mit 30 Jahren und nach
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