Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Sachverstand, aber wenn Männer ihre Aussagen nicht belegten, wurde nicht daran gezweifelt. Mit anderen Worten, wenn Frauen auf eine Weise redeten, die als typisch weiblich gilt, führte das zu Negativurteilen, wenn Männer genauso redeten, hatte das nicht diese Auswirkung. Es ist also nicht so sehr die Sprechweise, die diesen Effekt auslöst, sondern die Einstellung gegenüber dem jeweiligen Geschlecht.
Viele andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Psychologen John und Sandra Condry baten Testpersonen, Babygeschrei zu interpretieren. Wenn ihnen vorher erzählt worden war, dass es sich bei dem Baby um einen Jungen handelte, meinten die Leute, es würde vor Wut schreien. Wenn man ihnen gesagt hatte, es sei ein Mädchen, glaubten sie, es würde weinen, weil es Angst hätte. Anne Macke und Laurel Richardson sowie Judith Cook stellten fest, dass Studenten es als Zeichen von Inkompetenz werteten, wenn es im Unterricht eines Professors zu lebhaften Diskussionen der Schüler kam – aber nur, wenn der Professor eine Frau war.
Schweigen ist Gold – oder Blei
Und auch die Wissenschaft selbst ist diesem doppelten Standard zum Opfer gefallen. In Studien, die die These vertreten, dass Männer Macht ausüben, weil sie mehr reden als Frauen, wird das Schweigen der Frauen als Zeichen ihrer Ohnmacht angeführt. Gleichzeitig wird in anderen Studien behauptet, dass das Schweigen der Männer oder ihre Weigerung zu sprechen ein Beweis ihrer Machtausübung sei. Mirra Komarovsky kommt in ihrer klassischen Untersuchung Blue Collar Marriage immer wieder darauf zurück, dass viele der befragten Ehefrauen angaben, sie würden mehr reden als ihre Männer (»Seine Zunge ist wie angewachsen«, beschrieb eine Ehefrau ihren Mann, und eine andere: »Mein Mann ist ein Meister im Nichtssagen«). Die Mehrheit der Frauen möchte – mit ihren Männern – über anfallende Probleme sprechen. Im Gegensatz dazu ziehen die meisten Ehemänner sich am liebsten zurück, wenn Probleme auftauchen (»Wenn es mir schlecht geht, mach ich das mit mir selbst ab und belaste sie nicht damit«) oder wenn es um emotionalen Stress oder »Ansprüche« der Ehefrau geht. Und doch besteht kein Zweifel daran, dass diese Männer in ihren Ehen »dominierend« sind. Schweigen kann also durchaus ein Machtinstrument sein. Komarovsky zitiert eine Ehefrau und Mutter, die über ihren Mann bemerkt: »Er sagt nicht viel, aber wenn er etwas sagt, dann meint er es auch so, und die Kinder gehorchen ihm.« Ref 108
Jack Sattel glaubt, dass Männer ihr Schweigen benutzen, um Macht auf Frauen auszuüben, und er illustriert seine These mit einer Szene aus Erica Jongs Angst vorm Fliegen. Der erste Satz wird von Isadora gesprochen, der zweite von ihrem Mann Bennett.
»Warum musst du mir das immer wieder antun? Ich fühle mich dann so allein.«
»Das ist deine eigene Schuld.«
»Wie meinst du das? Ich wollte heute Abend froh und glücklich sein. Es ist Weihnachten. Warum bist du böse? Was habe ich getan?«
Schweigen.
»Was habe ich getan?«
Er sieht sie an, als sei die Tatsache, dass sie das nicht weiß, eine zusätzliche Kränkung.
»Gehn wir schlafen. Vergessen wir das Ganze.«
»Was soll ich vergessen?«
Er sagt nichts.
»Soll ich vergessen, dass du böse mit mir bist? Vergessen, dass du mich strafst – für nichts? Vergessen, dass ich einsam bin und friere, dass Weihnachten ist und dass du mir diesen Abend wieder mal verdorben hast? Ist es das, was ich vergessen soll?«
»Ich will nicht darüber reden.«
»Worüber? Worüber willst du nicht reden?«
»Sei still. Ich will nicht, dass du hier im Hotel so rumschreist.«
»Es ist mir scheißegal, was du willst oder nicht willst. Ich will anständig behandelt werden. Vielleicht hättest du zumindest die Güte, mir mitzuteilen, warum du so ’ne Scheißlaune hast. Und sieh mich nicht so an …«
»Wie?« Ref 109
»Als ob es die schwerste Sünde wäre, dass ich deine Gedanken nicht lesen kann. Ich kann deine Gedanken nicht lesen. Ich weiß nicht, warum du so ’ne Wut im Bauch hast. Ich kann nicht jeden Wunsch von dir erraten. Wenn du das von einer Frau verlangst, dann hast du die falsche Frau.«
»Das dürfte stimmen.«
»Was ist es denn? Sag es mir doch bitte.«
»Das solltest du auch so wissen.«
»Großer Gott! Erwartest du im Ernst von mir, dass ich Gedanken lesen kann? Ist das die Bemutterung, die du dir vorstellst?«
»Wenn du auch nur eine Spur von Einfühlungsvermögen
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