Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
stehen. Nachdem Befu entschieden hatte, dass die Einladung tatsächlich als solche gemeint war, und sie angenommen hatte, sollte er sagen, was er gern essen würde. Befu antwortete der Konvention entsprechend, dass ihm alles recht sei, aber seine Freundin, ebenfalls der Konvention entsprechend, drängte ihn, konkrete Wünsche zu äußern. Dieses Ritual wurde von Gastgeberin und Gast mehrere Male durchgespielt, bis Befu den Eindruck hatte, dass der Höflichkeit Genüge getan wäre, um – höflich – anzudeuten, dass Tee und Reis ein schönes Essen wären. Bei seinem Besuch wurden ihm dann tatsächlich Tee und Reis serviert – als letzter Gang eines üppigen Menus. Befu war von dem festlichen Mahl nicht überrascht, weil er wusste, dass das Protokoll es so vorschrieb. Hätte man ihm angeboten, um was er gebeten hatte, wäre er beleidigt gewesen. Aber das Protokoll schrieb auch vor, dass er sehr überrascht tun musste.
Dieser Aufwand an beiderseitiger Indirektheit für eine Essenseinladung wird Amerikanern vielleicht als übertrieben erscheinen. Doch bei den meisten Völkern der Welt wird ein ausgefeiltes System der Indirektheit dem direkten Ausdruck vorgezogen. Nur die modernen westlichen Gesellschaften geben einer direkten Kommunikation den Vorrang, und selbst bei uns handelt es sich dabei eher um einen theoretischen als einen praktischen Wert.
Beispiele aus anderen Kulturen machen auch deutlich, dass Indirektheit an sich kein Zeichen von niedrigerem Status ist. Es sind eher unsere Ansichten über die Stellung der Frau, die uns dazu zwingen, alles, was Frauen tun, als Widerspiegelung eines niedrigen Status aufzufassen. Die Anthropologin Elinor Keenan fand zum Beispiel heraus, dass in einem Dorf auf Madagaskar die Frauen diejenigen sind, die sich auf direkte Art ausdrücken, während die Männer indirekt sind. Und die Dorfbewohner halten die indirekte Art der Männer, die Benutzung von Metaphern und Sprichwörtern, für die bessere. Für sie ist die indirekte Sprechweise – wie die Männer, die sie benutzen – etwas Höherrangiges. Sie halten die direkte Art der Frauen für unbeholfen und ungehobelt, für minderwertig im Vergleich mit der feinen Hintersinnigkeit der Männersprache. Ob es die Frauen oder die Männer sind, die einen direkten oder indirekten Gesprächsstil verwenden, ist von Fall zu Fall verschieden – gleichbleibend ist nur, dass der Stil der Frauen negativ bewertet wird – und als minderwertig gilt. Ref 107
Bei Männern ist das was anderes
Untersuchungen in unserer eigenen Kultur haben mit zahllosen Beispielen belegt, dass dasselbe Verhalten unterschiedlich beurteilt wird, je nachdem, ob es bei einem Mann oder bei einer Frau beobachtet wird. Nehmen wir den Fall der »Frageanhängsel« – Aussagen, denen am Ende kleine Fragen hinzugefügt werden, wie zum Beispiel: »Schöner Tag heute, nicht wahr?« Die Linguistin Robin Lakoff hat als Erste darauf hingewiesen, dass Frauen weit häufiger Frageanhängsel benutzen als Männer. Obwohl Untersuchungen, die Lakoffs Beobachtung wissenschaftlich zu belegen suchten, teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen führten, wird sie von den meisten bestätigt. Jacqueline Sachs hat schon bei zwei- bis fünfjährigen Kindern festgestellt, dass die Mädchen mehr als doppelt so viele Frageanhängsel benutzten wie die Jungen. Und Untersuchungen haben ergeben, dass von Frauen erwartet wird, so zu sprechen. Die Psychologen David und Robert Siegler führten ein Experiment durch, bei dem sie Erwachsene aufforderten, das Geschlecht von bestimmten Sprechern zu erraten: Wenn Frageanhängsel verwendet wurden, tippten die Probanden auf eine Frau, wenn nicht, auf einen Mann. Und das Klischee kann sich als stärker erweisen als die Realität: Bei einem anderen Experiment spielten die Psychologinnen Nora Newcombe und Diane Arnkoff mehreren Erwachsenen Gespräche vor, bei denen Frauen und Männer jeweils gleich viele Frageanhängsel benutzten: Die Testpersonen waren überzeugt, dass die Frauen mehr benutzt hätten.
Das Schlimmste ist, dass Frauen und Männer unterschiedlich beurteilt werden, selbst wenn sie ganz genauso sprechen. Die Kommunikationsforscherin Patricia Hayes Bradley fand heraus, dass Frauen, die Frageanhängsel verwendeten oder eine Aussage einschränkten, für weniger intelligent und sachverständig gehalten wurden als Männer, die genau das Gleiche taten. Wenn Frauen ihre Argumente nicht gut begründeten, bezweifelte man ihre Intelligenz und ihren
Weitere Kostenlose Bücher