Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
als Geld, Ruhm oder Status zu gewinnen.
Wenn Frauen das Gefühl haben, dass sie nicht prahlen sollten, so liegt das sowohl am eindeutigen Training als auch am Gruppendruck. Dieses Training wird in einem internen Mitteilungsblatt ehemaliger Collegestudentinnen beschrieben, die einer der anspruchsvollsten Highschools des Landes angehörten. Eine Frau verfasste einen Nachruf auf ihre Schwester, die die mit Abstand beste Schülerin ihrer Abschlussklasse gewesen und die vor kurzem gestorben war. Die hochbegabte Schwester hatte eine nur mäßig erfolgreiche Karriere gemacht, die ihren herausragenden Fähigkeiten nicht entsprochen hatte. Die Autorin kommentiert, dass ihre Schwester sich die Ermahnungen der Mutter zu sehr zu Herzen genommen habe: »Halte dich im Hintergrund; prahle nie; gib immer dein Bestes.« Ref 104
Diese Beispiele illustrieren, dass von Frauen erwartet wird, in relativ öffentlichen Situationen nicht aufzuschneiden, aber es wäre eine irreführende Annahme, dass Frauen überhaupt nicht prahlen. Ich komme auf das Pärchen zurück, das ich Margaret und Charles genannt habe, um einen Fall zu schildern, wo Charles seine Frau für zu angeberisch hielt. In der vorhin beschriebenen Situation fand Margaret, dass Charles sich vor neuen Bekannten »nicht aufspielen« sollte. Bei anderer Gelegenheit hatte Charles den Eindruck, dass Margaret unverhältnismäßig dick auftrug. Als Margaret sich engen Freunden gegenüber beklagte, weil sie nicht so schnell zum Partner befördert worden war wie die Männer in der Kanzlei, die weit weniger Umsatz gemacht und viel weniger abrechenbare Stunden gehabt hätten als sie, zählte sie ihre ganzen früheren Erfolge auf. Charles erzählte ihr später, dass er ihr Verhalten für wenig einfühlsam gehalten habe, weil einer der befreundeten Gesprächsteilnehmer, ein junger Anwalt, in seinem Beruf alles andere als schnell vorankam. Charles ist der Ansicht, dass selbstverherrlichende Informationen der Statusgewinnung in der Öffentlichkeit dienen und daher besonders angebracht sind, wenn man neue Leute kennenlernt oder Leute trifft, die einen höheren Status haben – oder zu haben scheinen. Margaret dagegen meint, dass Selbstlob nur im privaten Kreis, im Rahmen der Beziehungssprache angebracht ist – bei Unterhaltungen mit Freunden und guten Bekannten, denen sie vertraut und die sie nicht verurteilen, wenn sie auf ihre Leistungen stolz ist. Beim Umgang mit guten Freunden vergisst sie deren jeweiligen Status – einen Beziehungsaspekt, den Charles niemals vergisst.
Die unterschiedlichen Ansichten über Status und Bindung scheinen ein weiteres Mal gegen die Frauen zu wirken. Frauen schrecken davor zurück, ihre Leistungen öffentlich zur Schau zu stellen, weil sie glauben, dann weniger liebenswert zu sein; doch durch die Statusbrille betrachtet, erscheinen Frauen unsicher und selbstzweiflerisch und werden systematisch unterschätzt. Man ist versucht, den Frauen vorzuschlagen, mehr mit ihren Leistungen zu protzen, damit ihnen die verdiente Anerkennung zuteil wird. Unglücklicherweise werden Frauen jedoch nach weiblichen Verhaltensnormen beurteilt.
Das zeigte sich zum Beispiel deutlich auf einer Fakultätssitzung, wo es um Beförderungen ging und der Erfolg einer Professorin zur Sprache kam: Sie hatte viele Bücher und Artikel veröffentlicht und war eine anerkannte Kapazität auf ihrem Gebiet. Ein anwesender Mann kommentierte anerkennend: »Sie trägt es mit Fassung.« Mit anderen Worten, sie wurde dafür gelobt, dass sie sich ihren Erfolg nicht anmerken ließ. Das heißt auch: Hätte sie sich so benommen, wie ihre Leistungen es gerechtfertigt hätten, wäre sie nicht gelobt worden – und vielleicht unbeliebt gewesen.
Seine Höflichkeit ist ihre Ohnmacht
Es gibt viele Belege dafür, dass Männer und Frauen unterschiedlich beurteilt werden, sogar wenn sie genauso sprechen. Diese Tendenz macht viel böses Blut in Diskussionen über Frauen, Männer und Macht. Wenn eine Frau ein bestimmtes sprachliches Verhalten zeigt, wird es als wirkungslos betrachtet. Bei einem Mann gilt dasselbe Verhalten als effektiv. Wenn »Frauensprache« als »Sprache der Ohnmacht« bezeichnet wird, spiegelt sich darin oft die männliche Sicht weiblichen Verhaltens.
Weil Frauen nicht um Überlegenheit kämpfen, werden sie oft als unterlegen eingerahmt. Jede Situation ist offen für Fehlinterpretationen, weil Status und Bindung mit denselben Taktiken ausgespielt werden. Diese Mehrdeutigkeit verleitet
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