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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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hättest …«
    »Aber ich geb mir doch Mühe. Mein Gott, du gibst mir ja gar keine Gelegenheit.«
    »Du schaltest ab. Du hörst nie zu.«
    »Es war irgendwas im Film, nicht wahr?«
    »Was war im Film?«
    »Wieder eine Gegenfrage. Musst du mich eigentlich immer verhören wie so ’nen Verbrecher. Musst du ein Kreuzverhör mit mir anstellen?… Es war die Beerdigungsszene … Wie der kleine Junge seine tote Mutter ansah. Das hat dich irgendwie … Seitdem bist du so deprimiert.«
    Schweigen.
    »Nicht wahr, das war’s doch?«
    Schweigen.
    »Los, Bennett, du machst mich rasend. Bitte sag es mir. Bitte.«
    »Was war mit der Szene im Film, die mich ›irgendwie‹…? (Die Worte kommen einzeln wie kleine Almosen. Wie kleine, harte Kotstückchen.)
    »Frag nicht, Bennett. Sag es mir!« (Sie schlingt die Arme um ihn. Er macht sich los. Sie fällt zu Boden und umklammert sein Bein. Es sieht weniger nach einer Umarmung als nach einer Rettungsszene aus: Sie droht zu ertrinken, und er überlässt ihr widerstrebend sein Bein als Halt.)
    »Steh auf!«
    (Sie weint.) »Nur, wenn du es mir sagst.«
    Er macht sein Bein frei. »Ich geh schlafen.«
    Diese quälende Szene scheint Sattels Behauptung, Bennett benutze sein Schweigen als Waffe gegen seine Frau, zu bestätigen. Mit jeder Weigerung, ihr zu erzählen, was ihn ärgert, holt Bennett zu einem neuen Schlag aus, der sie immer tiefer in die Knie zwingt – bis sie schließlich im buchstäblichen Sinn zu Boden geht. Aber würden wir die Situation anders interpretieren, wenn die Rollen vertauscht wären?
    Mit vertauschten Rollen scheint die Szene unmöglich. Man kann sich schwer vorstellen, dass ein Mann seine Frau anfleht, ihm zu sagen, was er falsch gemacht hat. Bei dem Versuch, die Szene mit vertauschten Rollen zu lesen, sah ich unwillkürlich die Situation vor mir, dass der Mann sich zurückzieht und damit ihr Schweigen zu einer unbrauchbaren Waffe macht. Bennetts Schweigen wirkt so peinigend, weil Isadora so beharrlich versucht, ihn zum Reden zu bringen. Es ist das Zusammenspiel dieser beiden Verhaltensweisen – sein Rückzug und ihr beharrlicher Versuch, ihm zu entlocken, was sie falsch gemacht hat –, das sich verheerend für beide auswirkt. Wenn Bennett Isadoras Ansicht wäre, dass man Probleme ausdiskutieren sollte, oder wenn Isadora ebenfalls die Angewohnheit hätte, sich bei auftauchenden Problemen zurückzuziehen, wäre es nie zu dieser qualvollen Szene gekommen.

»Tut mir leid, aber ich entschuldige mich nicht«
    Es gibt viele weibliche Sprechweisen, die in reinen Frauengesprächen effektiv und sinnvoll sind, die aber in Unterhaltungen mit Männern den Eindruck von Ohnmacht und Selbstherabsetzung wecken. Eines dieser Verhaltensmuster ist, dass Frauen sich dauernd zu entschuldigen scheinen. Wer sich entschuldigt, wird als unterlegen aufgefasst. Das mag vielleicht selbstverständlich klingen. Aber das folgende Beispiel zeigt, dass eine scheinbare Entschuldigung ganz anders gemeint sein kann.
    Eine Lehrerin hatte Ärger mit einem Schüler, der allgemein als unverbesserlich galt. Schließlich schickte sie den Jungen zum Direktor. Der Schulleiter kam später im Lehrerzimmer zu ihr und erzählte ihr, dass er den Schüler suspendiert habe. Die Lehrerin antwortete: »Tut mir leid«, worauf der Direktor ihr versicherte: »Es ist nicht Ihre Schuld.« Die Lehrerin war betroffen von der beruhigenden Versicherung des Schulleiters, weil ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, dass sie an der Suspendierung des Schülers schuld sein könnte. Sie hatte »Tut mir leid« nicht im Sinne von »Ich möchte mich entschuldigen« gemeint, sondern im Sinne von »Es tut mir leid, das zu hören«. Sie hatte ihre Solidarität mit dem Schulleiter ausdrücken wollen: »Ich weiß, dass es eine schwere Entscheidung für Sie war, und kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist; mich belastet das alles auch sehr.« Sie gab sich den Rahmen einer Verbündeten, die seine Gefühle teilte. Als der Schulleiter ihre anteilnehmenden Worte als Entschuldigung auslegte, weckte er den Eindruck eines möglichen Fehlverhaltens ihrerseits und rahmte sich selbst als Überlegenen ein, der in der Lage war, ihr Absolution zu erteilen.
    Der weitere Verlauf dieser Geschichte deutet darauf hin, dass diese unterschiedlichen Ansichten mit dem Geschlecht zusammenhängen. Als die Lehrerin ihrer erwachsenen Tochter von dem Vorfall erzählte, fand diese die Reaktion des Direktors auch merkwürdig. Aber als sie ihrem

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