Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Kandidat direkt in die Kamera, während seine Frau zu ihm aufblickt. Das lenkt den Blick und das Interesse des Betrachters auf den Kandidaten. In einem häufig veröffentlichten Familienfoto blickte Ferraro zu ihrem Mann auf, während er in die Kamera sah. Es ist ein ansprechendes Bild, das sie als gute Frau erscheinen lässt, ihn jedoch unpassenderweise zum Mittelpunkt macht, so, wie seine finanzielle Situation zum Mittelpunkt der finanziellen Enthüllungen über die Politikerin Ferraro wurde. Hätte der Familienfotograf Ferraro direkt in die Kamera und ihren Mann bewundernd zu ihr aufblicken lassen, wäre es kein wirkungsvolles Wahlkampffoto gewesen, weil es so ausgesehen hätte, als ob sie eine herrschsüchtige Frau und er ein trotteliges Muttersöhnchen wäre.
Ironischerweise haben Frauen es in einer relativ gleichberechtigten Gesellschaft wie der amerikanischen wahrscheinlich schwerer als in einer eher hierarchisch strukturierten. Eine Amerikanerin, die einen englischsprachigen Zeitungsverlag in Athen führt, erzählte mir, dass griechische Geschäftskollegen sofort alle Aufmerksamkeit auf sie richteten, sobald sie wüssten, dass sie den Verlag leitet. Amerikaner dagegen würden sich unweigerlich an ihren männlichen Verlagsassistenten wenden. Offenbar spielte der Status der Verlegerin für die Griechen eine größere Rolle als das Geschlecht, während Amerikaner, die sich vom Status weniger leicht einschüchtern lassen, das Geschlecht nicht vergessen konnten.
Ich habe in diesem Buch gezeigt, dass der unterschiedliche Gesprächsstil von Männern und Frauen zu symmetrischen Missverständnissen führt. Männer und Frauen lernen ihre Sprache in verschiedenen Mädchen- und Jungenwelten, und jede Gruppe interpretiert die Sprechweisen der anderen nach den Regeln ihrer eigenen Welt. Aber in vieler Hinsicht sind die Unterschiede im Gesprächsstil nicht symmetrisch. Wenn Männer und Frauen in Gruppen zusammenkommen, sprechen sie wahrscheinlich eher so, wie es den Männern vertraut und geläufig ist. Und sowohl männlicher als auch weiblicher Sprachgebrauch werden im Allgemeinen nach den Maßstäben des männlichen Stils beurteilt, der als Norm gilt. Und das Schlimmste ist, dass Frauen in einer nach Gleichberechtigung strebenden Gesellschaft, wo sie mehr und mehr in hochrangige Positionen eindringen, vor einem unlösbaren Konflikt stehen. Wenn sie so sprechen, wie es von Frauen erwartet wird, spricht man ihnen ihre Führungsqualitäten ab. Wenn sie so sprechen, wie man es von Führungskräften erwartet, stellt man ihre Weiblichkeit in Abrede. Der Weg zum Erfolg ist steinig für Frauen, und am Ende des Weges wartet ein dorniges Lager auf sie.
IX »Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!« – Wortwechsel in wechselndem Alter
Zu diesem Buch hat mich unter anderem die Teilnahme an einem Forschungsprojekt angeregt, bei dem es darum ging, wie Freunde bzw. Freundinnen in verschiedenen Ausbildungsstufen, die vom zweiten Schuljahr bis zur Universität reichten, miteinander reden. Obwohl ich nicht die Absicht hatte, geschlechtsspezifische Sprechweisen zu untersuchen, war ich angesichts der von Bruce Dorval zusammengestellten Videoaufnahmen überwältigt von den Unterschieden, die Frauen und Männer jeden Alters voneinander trennten, und den bemerkenswerten Gemeinsamkeiten, die die Angehörigen des jeweiligen Geschlechts über alle Altersstufen hinweg miteinander verbanden. In vieler Hinsicht waren die Zweltklässlerinnen den fünfundzwanzigjährigen Frauen ähnlicher als ihren gleichaltrigen männlichen Klassenkameraden. Ref 117
Die Unterschiede, die mir bei den männlichen und weiblichen Sprechern auf diesen Videoaufnahmen besonders auffielen, betrafen Gesprächsthemen und Körpersprache, also wie die Teilnehmer sich mit Körperhaltung und Blicken aneinander orientierten.
Wie unterschiedlich die physische Aufstellung oder Körpersprache ist, springt jedem sofort ins Auge, der einzelne Abschnitte der Videobänder nacheinander betrachtet. In jedem Alter sitzen die Mädchen und Frauen dichter zusammen und sehen sich direkt an. In jedem Alter sitzen die Jungen und Männer voneinander abgewandt – in einem Fall fast parallel – und sehen sich nie direkt an. Ich bezeichne diese visuelle Grundhaltung als Verankerungsblick. Die Mädchen und Frauen verankern ihren Blick im Gesicht ihrer Gesprächspartnerin und wenden ihn nur gelegentlich ab, während die Jungen und Männer ihren Blick an irgendeinem Einrichtungsgegenstand
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