Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
festmachen und sich nur selten ansehen.
Dass Jungen und Männer direkten Blickkontakt vermeiden, ist sehr aufschlussreich, weil Wissenschaft und Volksweisheit immer betonen, dass Mädchen und Frauen zu einer indirekteren Gesprächshaltung neigen als Jungen. Tatsächlich ist es so, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen Bereichen zu indirektem Verhalten neigen. In Körperhaltung und bei Gesprächen über persönliche Probleme tendieren eher die Männer dazu.
Im zweiten Schuljahr: Geschichten erzählen und sich necken
Die zwei Freundschaftspaare aus dem zweiten Schuljahr liefern den augenfälligsten Kontrast, was Körpersprache und Gesprächsstoff angeht. Kevin und Jimmy, die beiden Jungen, sind so zappelig, dass es sie kaum auf den Stühlen hält. Sie schauen sich nie direkt an. Sie lassen den Blick durchs Zimmer wandern, schauen zur Decke und in die aufgestellte Videokamera. Sie winden sich auf ihren Stühlen, springen auf, klopfen einen rhythmischen Takt mit den Füßen, schneiden sich und der Kamera Grimassen und zeigen auf Gegenstände im Raum. Einer der Jungen trommelt unablässig auf die Armlehnen seines Stuhls. Sie singen, imitieren Motorengeräusche, indem sie rollende Rs vor sich hin brummen, und erfinden sinnlose Wörter.
Und worüber reden die Jungen in diesem ganzen Tumult? Sie inszenieren eine Rüpelshow, indem sie Fratzen in die Kamera schneiden, obszöne Ausdrücke verwenden, in Gelächter ausbrechen und dann hinter vorgehaltener Hand kichern und sich gegenseitig »Pst! Pst!« zuraunen. Sie necken sich: Jimmy erzählt Kevin wieder und wieder: »Deine Haare stehen hoch! Dein Haar steht immer ab!«, und Jimmy versucht, seine Frisur zu glätten, weil er keinen Spiegel hat, der ihm zeigen würde, dass er ganz ordentlich aussieht. Sie wechseln sprunghaft die Themen, während sie überlegen, was sie »machen« könnten.
»Was hat er für Spiele?«
Für die Jungen aus der zweiten Klasse ist »was machen« gleichbedeutend mit »Spiele spielen«. Sie schauen sich zum Beispiel in dem Zimmer um, in das man sie geschickt hat (Professor Dorvals Büro), ob nicht irgendwo Spiele aufzutreiben sind:
Jimmy: Guck mal. Kennst du das – kennst du das Spiel da hinten? Wir spielen – das hatten wir mal in der ersten Klasse.
Jimmy: Was für Spiele haben wir – hat er?
Kevin: Ich weiß nicht.
Jimmy: Wahrscheinlich bloß das eine. Das ist ein blödes Spiel, findest du nicht?
Kevin: Sieht aber eigentlich ganz gut aus.
Jimmy: Ich will endlich was spielen.
Weil die beiden keine Spiele finden (oder sich nicht trauen, die vorhandenen zu benutzen), versuchen sie, sich eine andere Beschäftigung auszudenken:
Jimmy: Also, wenn du was weißt, dann mach’s doch.
Kevin: Jetzt kommt er wieder rein. Wozu hättest du jetzt Lust?
Jimmy: Fußball spielen.
Obwohl er es offensichtlich nicht sofort tun kann, hat Jimmy keine Probleme, sich etwas auszudenken, was er gern tun würde, nämlich Fußball zu spielen. Er möchte nach draußen, mit anderen Jungen herumtollen und nicht auf einem Stuhl sitzen und sich mit einem Freund unterhalten. Weil die Jungen im Moment körperlich nicht aktiv werden können, reden sie von zukünftigen Aktivitäten; Kevin fragt: »Willst du mich mal zu Hause besuchen? Mit meinem Fahrrad fahren?«
Die Jungen finden etwas, was sie »machen« können, wenn es auch nicht die erste Wahl ist. Mit scherzhafter Ungeduld in der Stimme fordert Jimmy Kevin auf, eine Beschäftigung zu ersinnen; Kevin kommt der Aufforderung nach und macht einen Vorschlag, der dann aufgegriffen wird:
Jimmy: Würdest du vielleicht mal sagen, was wir machen können?
Kevin: Schinkenklopfen.
Jimmy (lacht): Also, weißt du. Schinkenklopfen. Na gut. Lass uns Schinkenklopfen spielen. Los, mach schon.
Diese Auszüge erwecken den Eindruck, dass es sich um zwei Kinder handelt, die voller Energien stecken – so, wie die meisten Kinder hätte ich wohl gedacht, wenn ich nicht die Videoaufnahmen von den Mädchen desselben Alters gesehen hätte. Das Bild, das sich bei den Mädchen ergibt, scheint tatsächlich aus einer anderen Welt zu stammen. Jane und Ellen sitzen sehr ruhig da, einen großen Teil der Zeit praktisch Nase an Nase. Eins der Mädchen oder beide sitzen auf der Stuhlkante, und sie sehen sich direkt an. Nur wenn sie darüber nachdenken, was sie als Nächstes sagen könnten, lassen sie den Blick manchmal ruhig durchs Zimmer wandern. Sie überlegen nicht angestrengt, womit sie sich beschäftigen könnten; sie scheinen
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