Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
entsprechen. Und Frauen, die versuchen, ihren Stil anzupassen, indem sie lauter, länger und selbstsicherer reden, würden dem Männlichkeitsmodell auch eher entsprechen. Sie würden vielleicht mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen und stärker beachtet werden, aber sie würden vielleicht auch auf Ablehnung stoßen und als aggressiv und unweiblich abqualifiziert werden. Tatsächlich braucht eine Frau gar nicht besonders aggressiv zu sein, um kritisiert zu werden. Ein Professor, der eine bekannte Wissenschaftlerin zu einem Vortrag eingeladen hatte, war schockiert, als einige seiner Studenten – Männer wie Frauen – später kommentierten, dass sie die Frau arrogant gefunden hätten. Ihm war sie durchaus nicht arrogant vorgekommen. Sie hatte sich einfach nicht erwartungsgemäß »weiblich« gezeigt und weder ununterbrochen gelächelt noch ihre Aussagen eingeschränkt oder den Kopf auf charmante Art in den Nacken geworfen.
Die mit Männlichkeit assoziierten Sprechweisen werden auch mit Führungsqualitäten und Autorität assoziiert. Die als typisch weiblich geltenden Sprechweisen dagegen nicht. Was immer ein Mann tut, um seine Autorität zu steigern, steigert auch seine Männlichkeit. Aber wenn eine Frau ihren Gesprächsstil der einflussreichen Stellung, die sie erreicht hat oder erreichen möchte, anpasst, riskiert sie, dass ihre Weiblichkeit in Frage gestellt wird.
Als Frau, die auf ihrem Fachgebiet einen hohen Status errungen hat, habe ich mit diesem Widerspruch täglich zu kämpfen. Wenn ich an wissenschaftlichen Tagungen teilnehme, treffe ich oft Kollegen von anderen Universitäten, die mich nur von meinen Veröffentlichungen und meiner wissenschaftlichen Reputation kennen. Nicht selten erzählen mir solche neuen Bekannten, dass sie überrascht sind, weil ich so nett oder so weiblich sei. »Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt«, habe ich wiederholt zu hören bekommen. »Sie sind gar nicht aggressiv.« Andere kommentieren: »Ich dachte, Sie wären kalt« oder »hart« oder »ehrgeizig«. Wenn ich sie dränge, mir zu sagen, warum sie das erwartet haben, sagen sie: »Ich habe einfach gedacht, dass jede Frau, die so erfolgreich ist wie Sie, so sein müsste.« Ref 114
Derartige Erwartungen werden in einer Studie von Harriet Wall und Anita Barry beschrieben, die die Erwartungshaltung von Collegestudenten gegenüber männlichen und weiblichen Professoren untersuchten. Die Wissenschaftlerinnen legten den Studenten identisches Material über zukünftige Professoren vor – Informationen über ihren akademischen Hintergrund, über Veröffentlichungen und Empfehlungsschreiben – und forderten die Studenten auf, vorauszusagen, wie die Kandidaten im Fall einer Einstellung abschneiden würden, einschließlich der Frage, ob sie Chancen hätten, einen Preis für gutes Unterrichten zu gewinnen. Einige, die das Material unter dem Namen einer Frau bekamen, prophezeiten, dass sie den Preis nicht gewinnen würde, denn, wie einer es formulierte: »Zu viel Arbeit, zu wenig Persönlichkeit.« Niemand machte derartige Einlassungen, wenn ihm genau dieselbe »Akte« unter einem Männernamen vorgelegt wurde.
Ein weiterer Grund, warum weibliche Professoren kritischer beurteilt werden als männliche, ist, laut Wall und Barry, dass an Frauen größere Ansprüche gestellt werden. Diejenigen Studenten, die glaubten, eine Frau zu bewerten, erwarteten ein größeres Maß an Fürsorglichkeit, auch außerhalb der Unterrichtsstunden, als diejenigen, die glaubten, einen Mann zu beurteilen. Die Wissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass eine wirkliche Professorin, die den Studenten mehr Zeit widmet als ihr männlicher Kollege, wahrscheinlich weniger Anerkennung findet als er, weil die Frau letztlich nur den Erwartungen entspricht, während der Mann mehr tut. Beim Lesen dieser Studie musste ich automatisch an die Studentin denken, die mich sonntags zu Hause angerufen hatte, weil sie ihren Mentor nicht zu Hause stören wollte.
Sprache hält Frauen auf ihrem Platz
Nirgends ist der Konflikt zwischen Weiblichkeit und Autorität deutlicher als bei Frauen, die in die Politik gehen. Die Merkmale eines guten Mannes und die eines guten Politikers sind identisch, aber eine Frau muss sich entscheiden, ob sie als starke Führungspersönlichkeit oder als gute Frau gelten will. Wenn ein Mann durchsetzungsfähig, logisch, direkt, kompetent und mächtig erscheint, erhöht er seinen Wert als Mann. Wenn eine Frau durchsetzungsfähig, logisch, direkt,
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