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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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zufrieden mit dem zu sein, was sie bereits machen: sich miteinander unterhalten.
    Ein genauer Vergleich der beiden Transkriptionen zeigt, wie unterschiedlich die Unterhaltungen verlaufen: Während die Umschrift des Jungengesprächs sich aus einer Anhäufung kurzer Sprechspurte zusammensetzt, bei denen die einzelnen Äußerungen kaum mehr als eine Zeile beanspruchen, weist die Transkription des Mädchengesprächs große Gesprächsblöcke mit vielleicht ein oder zwei Sprecherwechseln pro Seite auf. Der Grund dafür ist, dass die Mädchen Geschichten über eigene und fremde Erfahrungen austauschen. Aber es sind nicht einfach irgendwelche Geschichten. Sie handeln von Unfällen und Missgeschicken, Krankheiten und Krankenhausaufenthalten.

»Das ist was Ernstes!«
    Geschichten über Unglücksfälle zu erzählen schien mir ein merkwürdiger Zeitvertreib, bis mir bewusst wurde, dass die Mädchen sich genau an die Anweisungen hielten, die man ihnen gegeben hatte. Dorval hatte ihnen, wie auch den beiden Jungen und allen anderen Freundespaaren seiner Untersuchung, aufgetragen, sich miteinander zu beraten und über ein ernstes Thema zu sprechen. Als er das Zimmer verließ, steckten die Mädchen eine Weile flüsternd die Köpfe zusammen, rückten dann auseinander, sodass sie sich gegenübersaßen, und fingen an, Geschichten auszutauschen, bei denen es um etwas ging, was sie für ernst hielten. Die Geschichten in folgendem Ausschnitt sind kurz, sonst aber typisch für die Unterhaltung der beiden Zweitklässlerinnen.
    Ellen: Weißt du noch, als – wie ich dir von meinem Onkel erzählt hab? Wie er meinem Großvater auf der Leiter hinterherstieg? Er fiel runter und, ähm, schlug sich den Kopf auf? Er war – und weißt du was? Das ist immer noch nicht verheilt.
    Jane: Mein Onkel hat, er ist mal, weißt du, auf dieser Bullenfarm? In Millworth? Und der Stier hat ihn aufgespießt, seinen Kopf durchbohrt.
    Ellen: Das ist was Ernstes.
    Ellens beifälliger Kommentar »Das ist was Ernstes« macht deutlich, dass die Mädchen mit ihren Katastrophengeschichten den gegebenen Instruktionen entsprechen wollen.
    Als ich diese gleichaltrigen Mädchen und Jungen verglich, hatte ich das Gefühl, jeweils eine andere Spezies vor mir zu haben. Die Aufforderung, sich über etwas Ernstes zu unterhalten, erschien den Mädchen offenbar sinnvoll; sie wurden um etwas gebeten, was sie oft von sich aus tun: Sie sollten sich zusammensetzen und reden. Doch für die Jungen hatte dieselbe Aufforderung eine ganz andere Bedeutung, weil es weit weniger wahrscheinlich ist, dass Jungen sich beim Spielen einfach zusammensetzen, um zu reden. Sie sind mehr daran gewöhnt, etwas zusammen zu machen – draußen herumzutoben oder drinnen Spiele zu spielen.
    Vom Status- und Bindungsaspekt bzw. im Rahmen oppositioneller versus unterstützender Haltungen sind die unterschiedlichen Verhaltensmuster klar erkennbar. Die Jungen, die den anderen jeweils als ihren besten Freund ansehen, geben dem Ausdruck ihrer Zuneigung einen oppositionellen Rahmen. So zum Beispiel, wenn Jimmy Kevin wiederholt aufzieht, weil seine Haare angeblich abstehen. Jimmy seinerseits gibt vor, Kevin zu erschießen, als er erklärt: »Du bist verhaftet.« Und er sagt mit Absicht etwas Gemeines: »Ich weiß, dass William dich auf den Tod nicht ausstehen kann.« Beide Jungen tragen eine Art Schaukampf aus und verteilen harmlose Schläge.

Die Autorität verspotten
    Die Jungen zeigen immer wieder, dass sie sich der Autoritätsperson, die sie in diese Situation gebracht hat, bewusst bleiben, wie zum Beispiel in dem oben angeführten kurzen Beispiel, wo Kevin sagt: »Jetzt kommt er wieder rein.« Sie versuchen die Autorität des Untersuchungsleiters zu untergraben, indem sie sich weigern, das zu tun, was ihnen aufgetragen wurde (über etwas Ernstes zu reden), und durch spielerisches Aufbegehren. Sie springen zum Beispiel von den Stühlen auf und schneiden Fratzen in die Kamera, kichern dann und ermahnen sich gegenseitig, still zu sein, tun einen Moment lang wie brave kleine Jungen. Sie beschwören den Untersuchungsleiter herauf, wenn er nirgends zu sehen ist, um seine Autorität zu verspotten, zum Beispiel als Jimmy sagt: »… und macht dann einen Furz – hier kommt er!« Hier, wie auch sonst, scheint ihr »schlechtes Benehmen« auf den Erwachsenen abzuzielen, der ihnen gesagt hat, was sie machen sollen.
    In Anbetracht der Anweisung, sich ernsthaft zu unterhalten – welche bessere Möglichkeit des

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