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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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Ungehorsams könnte es geben, als Witze zu erzählen?
    Kevin: Klopf klopf.
    Jimmy: Wer ist da?
    Kevin: Frucht.
    Jimmy: Frucht wer?
    Kevin: Fruchtbar.
    Jimmy: Was ist ein armer Reitbursche?
    Kevin: Ein Stiefelknecht? Was ist es?
    Jimmy: Also? Also?
    Kevin: Ich weiß nicht.
    Jimmy: Ein Sattelschlepper. Kapiert? Ein Sattel-Schlepper.
    Manchmal machen die Jungen Fäkalwitze, wobei deutlich wird, dass sie mit diesem Verstoß gegen das Dekorum die erwachsene Autorität herausfordern wollen.
    Kevin: Klopf klopf.
    Jimmy: Wer ist da?
    Kevin (hüpft auf seinem Stuhl auf und ab): Klopf klopf klopf klopf.
    Jimmy: Wer ist da? (Pause) Pu pu. Pu pu wer? Du hast Pu pu in der Hose.
    Kevin: Hab ich gar nicht.
    Jimmy: Ich möchte wissen, ob er uns hören kann – bestimmt  –, beweg einfach deine Lippen. (Beide Jungen bewegen lautlos die Lippen.)
    In diesem kurzen Beispiel ist alles enthalten: Jimmy erzählt einen Witz; er setzt Kevin scherzhaft herab; er schneidet ein Tabuthema an; er zeigt, wie sehr ihn die Autoritätsperson beschäftigt, die diese Regelverletzung missbilligen könnte; er setzt sich über die Aufgabenstellung hinweg und mokiert sich darüber, als er vorgibt (und Kevin anstiftet), lautlos die Lippen zu bewegen. Wenn das Erzählen von Witzen eine Art Selbstdarstellung ist, die den Sprecher in den Mittelpunkt rückt, so ist Jimmy bei der Darbietung seines Pu-pu-Witzes derart produktiv, dass er gleich alle Rollen, einschließlich die des Publikums, an sich reißt und alle vier Zeilen des Klopf-klopf-Dialogs selbst spricht. Vielleicht will er aber auch nur Kevin aushelfen, der den gewohnten Ablauf mit »Klopf klopf« einleitete, aber offenbar nicht wusste, wie er den Witz weiterführen sollte.

»Interview« spielen
    Bei den Jungen weckt die Anweisung, sich zusammenzusetzen und zu unterhalten, offenbar Assoziationen mit der hierarchischen Situation, von einem Erwachsenen befragt zu werden. Jimmy greift die Aufgabenstellung ironisch auf und macht sich darüber lustig, indem er die Rolle des Interviewers spielt:
    Jimmy: Ich habe vier Dinge zu sagen.
    Kevin: Was denn?
    Jimmy: Ich habe vier Dinge zu sagen.
    Kevin: Erzähl.
    Jimmy: Du bist gut in der Schule, was?
    Kevin: Na klar.
    Jimmy: Ein guter Fußballspieler?
    Kevin: Mhm, ja.
    Jimmy: Du bist nett. Was war noch? Wie geht es dir?
    Kevin: Gut.
    Jimmy: Du bist dran.
    Kevins und Jimmys Äußerungen sind alle sehr kurz – jeweils nur ein paar Worte –, mit lediglich zwei Ausnahmen: Einmal erläutert Jimmy ein Videospiel, und ein anderes Mal erklärt er, wie man Schinkenklopfen spielt (obwohl Kevin das Spiel vorgeschlagen hatte). In beiden Fällen übernimmt er die Rolle des Lehrers.

Welten voneinander entfernt
    Dies sind nur einige Beispiele für das, was auf der zwanzigminütigen Videoaufzeichnung durchgehend zu beobachten ist: Die Jungen können nicht still sitzen; sie möchten etwas machen, was mit physischer Aktivität verbunden ist; sie sind sich der hierarchischen Struktur ihrer Situation ununterbrochen bewusst und tun ihr Möglichstes, um die Situation lächerlich zu machen und sich ihr zu verweigern; und sie zeigen ihre Zuneigung füreinander auf oppositionelle Weise. Sie widersprechen einander offen, obwohl der Widerspruch auch eine automatische Reaktion auf vorangegangene Herabsetzungen und scherzhafte Angriffe ist. Kevin protestiert zum Beispiel mit »Hab ich gar nicht«, als Jimmy ihm erzählt, er habe »Pu pu« in der Hose, und mit »Nein, bin ich nicht«, als Jimmy ihm mitteilt, dass er verhaftet sei.
    Die Unterhaltung der Mädchen in derselben Situation enthält nichts, das der beschriebenen Gesprächshaltung der Jungen auch nur annähernd ähnlich wäre. Auch die Mädchen sind sich der Autorität bewusst, aber sie beugen sich ihr, statt dagegen aufzubegehren oder sich darüber lustig zu machen. Und sie tun alles andere, als sich spielerisch anzugreifen, sie stimmen einander zu und gehen unterstützend auf die Aussagen der anderen ein. Sie verbünden sich nicht gegen die Autorität, sondern versichern sich vielmehr gegenseitig, dass sie die Instruktionen erfolgreich ausführen, wie zum Beispiel, wenn Ellen zu Jane sagt: »Das ist was Ernstes.« Im Gegensatz zu den Jungen, die sich necken und sich gegenseitig unterstellen, etwas falsch zu machen, bestärken die Mädchen sich gegenseitig in dem Gefühl, sich richtig zu verhalten.
    Die kurzen Geschichten in dem oben angeführten Ausschnitt zeigen auch exemplarisch, wie die Mädchen ihre Aussagen miteinander

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