Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
derselben leben, und beurteilen das Verhalten der anderen mit den Maßstäben unserer eigenen Welt.
Wenn das Leben das Experiment einholt
Die Auswirkungen dieser Unterschiede zeigen sich nirgends deutlicher als in der Grundschule, wo die Lehrer von den Kindern erwarten, dass sie still sitzen und tun, was ihnen gesagt wird – so wie die Mädchen in den von mir ausgewerteten Videoaufnahmen –, und nicht, dass sie unruhig herumzappeln, von ihren Plätzen aufspringen, herumalbern und Anweisungen ignorieren – wie die Jungen. In einer Studie über die Unterrichtsmethoden in einem Kindergarten fand ich das mir beschriebene Verhaltensmuster bestätigt. Das angeführte Beispiel aus dem wirklichen Leben veranschaulicht auch, welche Konsequenzen dieses geschlechtsspezifische Verhalten haben kann. Die Ethnographin Jane White hat untersucht, was sie »die gnadenlose Freundlichkeit« von Grundschullehrern nennt. Einer der Artikel beginnt mit einem Gesprächsauszug, in dem eine Kindergärtnerin, Mrs. Bedford, ankündigt, dass sie jetzt Sozialkunde unterrichten werde. Mrs. Bedford sagt:
Oh, was für reizende Kindergartenkinder! Oh, es macht Mrs. Bedford so glücklich, all diese fröhlichen Kinder zu sehen. Also, sitzen wir alle bequem? (Pause) Mal sehen, ob alle da sind. Ja, sieht so aus, als ob keiner fehlt. Unser heutiger Themenführer ist Mark W. (Schüler reden untereinander.) Oh, es gefällt mir so gut, wie ordentlich Barbara und Tammy sich hingesetzt haben. Sie sind wirklich bereit für die erste Klasse. Oh, und Corrie und Heather, wie schön … und Colleen und Sherrie, ihr macht das großartig. Joey, könntest du dich umdrehen, damit ich dein Gesicht sehen kann? Steven T., würdest du bitte herkommen und dich hier bei mir hinsetzen? Bobby, setz dich bitte dahin. Stephen S., da drüben ist ein guter Platz für dich. Fühlen sich alle wohl? Sind wir so weit?
White ging es bei ihrer Untersuchung nicht um die Frage geschlechtsspezifischer Unterschiede; sie wollte mit diesem Auszug illustrieren, dass die Lehrerin »freundliche« Aussageweisen benutzte, weil sie zum Beispiel eher gutes Benehmen lobte, schlechtes nicht tadelte und Anweisungen als Fragen formulierte. Aber beim Lesen dieses plastischen und so vertraut klingenden Beispiels fiel mir auf, dass alle Kinder, die dafür gelobt wurden, wie ordentlich sie sich hingesetzt hatten, Mädchen waren, und alle Kinder, die (indirekt) dafür kritisiert wurden, dass sie herumzappelten, Jungen waren.
Denselben Eindruck gewann ich auch bei einem anderen Artikel. Um zu zeigen, dass Grundschullehrer Jungen und Mädchen als verschiedene soziale Gruppen betrachten, zitiert die Soziologin Barrie Thorne einen Lehrer, der sagt: »Die Mädchen sind fertig und die Jungen nicht.« Beide Beispiele aus realen Klassenzimmern veranschaulichen, dass schulgerechtes Benehmen für Mädchen etwas »Natürlicheres« ist als für Jungen. Ref 118
Bei der vorhin erwähnten Studie von Alice Greenwood, die ihre vorpubertären Kinder bei Tischgesprächen mit Freunden beobachtete, stieß ich auf ein weiteres reales Beispiel für die Verhaltensmuster, die mir bei den gefilmten Gesprächen von Freunden aufgefallen waren. So wie die beiden Zweitklässlerinnen, die sich gegenseitig versicherten »Das ist was Ernstes«, unterstützen die Mädchen in Greenwoods Studie eine witzige Erzählung oft mit: »Das ist echt lustig.« Darüber hinaus lachten die Mädchen bereits anerkennend, bevor eine Geschichte erzählt wurde, sobald eines der Mädchen ankündigte: »Das ist so witzig.« Im Gegensatz dazu meinte der Sohn, ein gutes Gespräch sei eins, »wo wir Witze machen und uns ordentlich fetzen« – also genau das, was die beiden Jungen aus dem zweiten Schuljahr taten.
Diese Beispiele aus dem wirklichen Leben bestätigten mir, dass die beiden Videoaufnahmen, die ich ausgewertet hatte, typisch und keine Ausnahmeerscheinungen waren. Aber meine Entdeckungen werden auch von umfangreichen Studien über das Spielverhalten von kleinen Kindern unterstützt, die belegen, dass Jungen stärker zu körperlichen Aktivitäten und zu Aggressionen neigen, eher gegeneinander als miteinander spielen und stärker zu einer oppositionellen Haltung tendieren. Der Entwicklungspsychologe Campbell Leaper fand zum Beispiel heraus, dass fünfjährige Mädchen auf die Vorschläge anderer in »wechselseitig positiver« Weise eingehen, während Jungen desselben Alters eine »negative Reziprozität« zeigen: Einer der Jungen versucht,
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