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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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mich immer anpassen.
    Dieser Auszug zeigt nicht nur, dass Sechstklässlerinnen Problemgespräche führen und über Beziehungen zu ihren Freunden sprechen, sondern auch, dass sie Konflikte vermeiden und Harmonie bewahren möchten.

»Ich weiß«
    Wie die Mädchen aus dem zweiten Schuljahr bestätigen auch Julia und Shannon sich gegenseitig in ihren Gefühlen. Shannon pflichtet Julia zum Beispiel wiederholt in ihrer Meinung über Mary bei. Der folgende Gesprächsausschnitt schließt sich direkt an den Auszug an, in dem Julia sagt, dass Mary sauer reagiert, sie dagegen nicht:
    Shannon: Sie will andere verletzen.
    Julia: Es gelingt ihr auch. Und sie guckt einfach zu, wenn ich weine oder so. Sie lässt mich einfach leiden.
    Shannon: Und sie findet das gut.
    Julia: Ich weiß. Sie genießt alles daran.
    Shannon unterstützt Julias Kritik an Mary, indem sie ähnliche Beobachtungen anbietet, und Julia baut Shannons Zusätze in ihre Vorwürfe mit ein.

Dasselbe Thema – mit einem Unterschied
    Sogar wenn die Mädchen und Jungen des sechsten Schuljahres über dasselbe Thema sprechen, ist ihr Gespräch ganz unterschiedlich. Beide Freundespaare beginnen ihre Unterhaltung damit, dass sie erzählen, was sie am vorigen Abend erlebt haben, aber Julia berichtet von einem Problem mit ihrem Vater, während Tom von einem Problem mit dem Fernseher erzählt. Zuerst die Jungen:
    Tom: Mensch, gestern? Wir saßen zusammen und guckten Kabelfernsehen? Dann donnerte so ’n fetter alter Jet über uns weg, so laut, als ob er gleich landen wollte.
    Walt (lacht)
    Tom: Und dann ging das Kabelfernsehen kaputt.
    Walt: Bei uns auch.

    Das war das. Und nun die Mädchen:
    Julia: Weißt du, was gestern Abend passiert ist?
    Shannon: Was denn?
    Julia: Also, das war so, ich war, nun, okay. Mein Bruder ist gestern Abend mit – also, mein Vater sagte: »Julia, du musst selbst für dich bezahlen.« Und /?/ ich sagte: »Und wieso mein Bruder nicht?« Mein Vater und ich kriegten einen Riesenkrach, weißt du? Und na ja, mein Gott. Ich bin richtig auf ihn losgegangen. Ich konnte es einfach nicht glauben.
    Shannon: Oh, Mist, war er sauer auf dich?
    Julia: Ja, aber nicht – ich weiß nicht so genau –, ich bin auf mein Zimmer gegangen. Hab mich eingeschlossen.
    Julia erzählte von der Auseinandersetzung mit einem Menschen, ihrem Vater, und Tom erzählte von der Auseinandersetzung mit einem Gegenstand, dem Fernseher. Julias Geschichte ist außerdem länger als alles, was die gleichaltrigen Jungen sagen. Und Julia berichtet von einem Streit, einem Thema, das Frauen besonders besorgniserregend finden, weil Streit eine Bedrohung der Intimität bedeutet.
    Es gibt einen weiteren Aspekt bei Julias Geschichte, der typisch für Mädchen und Frauen ist; sie gibt den dramatischen Verlauf menschlicher Auseinandersetzungen wieder, indem sie die Situation, den Dialog, noch einmal durchspielt. Sie übernimmt die Rolle des Vaters: »Julia, du musst selbst für dich bezahlen«, und wiederholt wörtlich ihren Protest: »Und wieso mein Bruder nicht?« Weil Mädchen und Frauen an der emotionalen Bedeutung von Interaktionen interessiert sind, benutzen sie häufiger als Männer und Jungen die direkte Rede, um ihre Erlebnisse stärker zu dramatisieren.

»Wenn man sich unterhalten muss, fällt einem nichts ein«
    Wie die Mädchen aus dem zweiten Schuljahr scheinen auch die Sechstklässlerinnen völlig zufrieden damit, dass sie sitzen und reden können. Aber die gleichaltrigen Jungen haben offenbar damit zu kämpfen, still zu sitzen und ein Gesprächsthema zu finden. Jedenfalls sagen sie genau das:
    Tom: Ich hab die ganze Zeit überlegt, was ich sagen könnte, weil wir gefilmt wurden. Das macht es irgendwie anders.
    Walt: Ich weiß.
    Tom: Draußen kann man –
    Walt: Ich weiß, draußen kann man richtig rumbrüllen, in einer Wohnung nicht.
    Tom: Oder reden wie ein Wasserfall.
    Walt: Mhm.
    Tom: Wenn man sich unterhalten muss , fällt einem nichts ein.
    Als Tom von »draußen« spricht, glaubt Walt offenbar, dass er sich damit auf die Vorteile bezieht, die es hat, wenn man draußen statt drinnen spielt; er unterstützt die Idee mit dem Beispiel, dass man draußen problemlos herumschreien kann. Aber Tom meint offenbar die Welt außerhalb dieser künstlichen Situation und erklärt, wie schwierig es ist, sich zu unterhalten, wenn man den Auftrag dazu hat.
    Toms Äußerungen zeigen, dass er sich bewusst ist, in einer Situation zu sein, wo er Anweisungen erhalten hat. Er weist darauf hin,

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