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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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bekannt. Man zielt auf Bindung, wenn man Leute erwähnt, die dem Gesprächspartner bekannt sind, und dadurch eine Gemeinsamkeit schafft; aber man zielt auf Status, wenn man sich selbst damit hervorhebt, dass man Leute kennt, von denen die anderen nur gehört haben.
    Viel – sogar das meiste – von dem, worum es in einem Gespräch wirklich geht, ist keineswegs in den gesprochenen Worten enthalten, sondern wird vom Zuhörer eingesetzt. Jeder von uns entscheidet für sich, ob er von dem anderen glaubt, dass seine Worte im Sinne von Statusunterschieden oder von symmetrischer Bindung gemeint sind. Ob der Einzelne eine Aussage in dem einen oder anderen Sinn interpretiert, hängt eher von den Ansichten, Interessen und Gewohnheiten des Zuhörers ab als von den Intentionen des Sprechers.

Wer täuscht wen?
    Angesichts dieser unterschiedlichen und doch eng verbundenen Herangehensweisen an menschliche Beziehungen hält man leicht eine der beiden Formen für die ausschließlich richtige. Ein Mann, der meine Analyse des Klempnergesprächs hörte, meinte zum Beispiel: »Täuscht man dem anderen nicht etwas vor, wenn man an das Zusammengehörigkeitsgefühl appelliert?« Wenn man – wie viele Männer – der Ansicht ist, dass menschliche Beziehungen grundsätzlich hierarchisch strukturiert sind, läuft die Betonung von Verbundenheit darauf hinaus, dass man »so tut«, als gäbe es keinen Status – mit anderen Worten, es läuft darauf hinaus, dass man dem anderen etwas vortäuscht. Doch diejenigen, für die der Umgang zwischen Menschen in erster Linie von verbindenden Gemeinsamkeiten bestimmt wird, betrachten es als manipulativ und unfair, wenn man versucht, Statusunterschiede auszuspielen.
    Sowohl Status als auch Bindung sind Möglichkeiten, sich auf andere einzulassen und Verbundenheit zu demonstrieren, obwohl Menschen, die auf die eine Form fixiert sind, die andere vielleicht nicht als solche erkennen. Männer sind in Gesprächen eher auf Statusrangeleien konzentriert: Versucht der andere, mich zu übertrumpfen oder mich herabzusetzen? Versucht er, eine überlegene Position einzunehmen, indem er mir Anweisungen gibt? Frauen sind häufig stärker auf das Aushandeln von Bindungen eingestimmt: Versucht der andere, mir näherzukommen, oder will er sich distanzieren? Weil immer beide Elemente vorhanden sind, setzen Männer und Frauen leicht ganz verschiedene Schwerpunkte in ein und demselben Gespräch.

Geteilte Ansichten und Teilansichten
    Weil Männer und Frauen die Landschaft von entgegengesetzten Aussichtspunkten aus betrachten, haben sie oft völlig unterschiedliche Eindrücke von der Szenerie und dem, was sich dort abspielt.
    Ein Kollege erwähnte, dass er einen Brief von seinem Verlag erhalten habe. Die für sein neues Buch zuständige Lektorin forderte ihn auf, sie zu informieren, falls er die Absicht hätte, irgendwann innerhalb der sechsmonatigen Produktionszeit des Buches zu verreisen. Er meinte, dass er gar nicht gewusst hätte, wie feldwebelhaft Lektorinnen sein könnten. Seine Reaktion auf diesen Brief überraschte mich; ich habe ähnliche Briefe von Verlegern erhalten und reagiere ganz anders darauf: Sie gefallen mir, weil es mir ein Gefühl von Wichtigkeit gibt, wenn sich jemand für meinen Aufenthaltsort interessiert. Als ich meinem Kollegen meine Reaktion schilderte, war er darüber ebenso erstaunt und amüsiert wie ich von seiner. Obwohl er meine Haltung theoretisch nachvollziehen konnte, war es ihm vom Gefühl her völlig unverständlich, dass jemand sich nicht kontrolliert und herabgesetzt vorkam, wenn er Rechenschaft über seinen Aufenthaltsort geben sollte. Und obwohl ich seine Haltung theoretisch ebenfalls nachvollziehen konnte, war sie mir rein gefühlsmäßig völlig fremd.
    Ähnlich verhielt es sich, als mein Kollege mir von einem Zeitschriftenartikel erzählte, den er gelesen hatte. Die Autorin hatte sich im Vorwort bei ihrem Mann für die hilfreichen Gespräche über das Thema bedankt. Als mein Kollege diese Widmung das erste Mal las, hielt er die Frau für inkompetent oder zumindest für unsicher: Warum musste sie ihren Mann konsultieren, wenn sie selbstständig an etwas arbeitete? Warum konnte sie nicht auf eigenen Füßen stehen? Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass Frauen ihrer Verbundenheit gern Ausdruck geben, rahmte er die Danksagung neu ein und folgerte, dass die Autorin sich wahrscheinlich über das Interesse ihres Mannes gefreut und voller Stolz darauf hingewiesen hätte, weil sie dadurch

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