Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Gruppen oder zu zweit, im Mittelpunkt des sozialen Lebens eines Mädchens steht die beste Freundin. Innerhalb der Gruppe ist Intimität von zentraler Bedeutung: Unterschiede bemessen sich nach dem Grad relativer Nähe. Bei ihren häufigsten Spielen, wie zum Beispiel Seilspringen und ›Himmel und Hölle‹, kommen alle einmal an die Reihe. Viele der Aktivitäten (wie ›Mutter und Kind‹ spielen) haben keine Gewinner oder Verlierer. Obwohl einige Mädchen sicher geschickter und kompetenter sind als andere, wird erwartet, dass sie nicht mit ihren Fähigkeiten prahlen oder zeigen, dass sie sich für besser halten als die anderen. Mädchen geben keine Befehle; sie drücken ihre Vorlieben mit Vorschlägen aus, und die Vorschläge werden wahrscheinlich aufgegriffen. Während Jungen sagen: »Gib das her!«, und: »Geh da weg!«, sagen Mädchen: »Wollen wir das spielen?«, und: »Dazu hätte ich Lust.« Alles andere gilt als »Aufspielerei«. Mädchen reißen sich nicht darum, im Mittelpunkt zu stehen – es macht ihnen keinen Spaß –, und greifen sich deshalb auch nicht direkt an. Und oft sitzen sie einfach nur zusammen und unterhalten sich. Mädchen sind nicht daran gewöhnt, offen um Statuspositionen zu konkurrieren; ihnen liegt mehr daran, gemocht zu werden.
Geschlechtsspezifisch unterschiedliche Sprechweisen sind von Wissenschaftlern schon bei dreijährigen Kindern beobachtet und beschrieben worden. Amy Sheldon hat Mädchen und Jungen im Alter von drei bis vier Jahren gefilmt, die in Dreiergruppen in einer Kindertagesstätte spielten. Sie verglich zwei Dreiergruppen – eine Mädchen- und eine Jungengruppe –, in denen es zu Streitereien über dasselbe Spielzeug – eine Plastikgurke – kam. Obwohl beide Gruppen sich um denselben Gegenstand stritten, hatten sie ganz unterschiedliche Strategien, um ihren Konflikt zu lösen. Sheldons Studie verdeutlicht nicht nur einige der Verhaltensmuster, die ich beschrieben habe, sie zeigt auch, wie komplex diese Dynamiken sein können.
Ein kleines Mädchen namens Sue, das im Küchenbereich der Kindertagesstätte spielte, wollte die Gurke haben, mit der Mary sich gerade beschäftigte; sie argumentierte, dass Mary ihr die Gurke geben solle, weil Lisa, das dritte Mädchen, sie haben wolle. Das führte zu einer Auseinandersetzung darüber, wie Lisas (erfundenes) Bedürfnis zu befriedigen sei. Mary schlug einen Kompromiss vor, aber Sue protestierte:
Mary: Ich schneide sie in der Mitte durch. Eine Hälfte für Lisa, eine für mich!
Sue: Aber Lisa will eine ganze Gurke!
Mary macht einen weiteren kreativen Kompromissvorschlag, den Sue ebenfalls zurückweist:
Mary: Es ist doch eine ganze halbe Gurke!
Sue: Ist es nicht.
Mary: Ist es wohl, eine ganze halbe Gurke.
Sue: Ich geb ihr eine ganze Hälfte. Ich geb ihr eine ganz ganze Gurke. Ich hab ihr schon mal eine ganze Gurke gegeben.
An diesem Punkt zieht Lisa sich aus dem Bündnis mit Sue zurück, die sich selbst zufriedenstellt, indem sie sagt: »Ich tu so, als ob ich dir eine gegeben hätte.«
Bei anderer Gelegenheit machte Sheldon eine Videoaufnahme von drei Jungen, die in demselben Küchenbereich spielten und bei denen auch ein Streit über die Plastikgurke entbrannte. Als Nick sah, dass Kevin mit der Gurke spielte, forderte er sie für sich:
Nick (schreit): Kevin, aber die, oh, ich muss schneiden! Ich will sie schneiden! Es ist meine!
Wie Sue verwickelt auch Nick das dritte Kind in seine Bemühungen um die Gurke:
Nick (klagend zu Joe): Kevin lässt mich die Gurke nicht schneiden.
Joe: Oh, ich weiß was! Ich nehm sie ihm weg und geb sie dir. Das ist gut!
Die Auseinandersetzung der Jungen, die zweimal solange dauerte wie die der Mädchen, endete schließlich in einer Balgerei zwischen Nick und Joe auf der einen und Kevin auf der anderen Seite.
Sheldon, die das unterschiedliche Verhalten der Jungen und Mädchen in diesem Streit um die Gurke vergleicht, weist darauf hin, dass die Mädchen den Konflikt größtenteils abschwächten und Harmonie wahrten, indem sie Kompromisse eingingen und sich ausweichend verhielten. Bei den Jungen, die stärker auf ihrem Standpunkt beharrten, an Regeln appellierten und mit körperlicher Gewalt drohten, weitete der Konflikt sich stärker aus. Doch die Feststellung, dass diese kleinen Mädchen und Jungen stärker zu der einen oder der anderen Strategie griffen, heißt nicht, dass sie die andere Strategie überhaupt nicht einsetzten. Zum Beispiel versuchten auch die Jungen, einen
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