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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Tannen
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die Ausgewogenheit ihrer Beziehung beweisen konnte.
    Wenn die Reaktion meines Kollegen typisch ist, kann man sich ungefähr vorstellen, wie oft Frauen, die glauben, gerade eine positive Eigenschaft – Verbundenheit – zu demonstrieren, falsch eingeschätzt werden, weil Männer in diesem Verhalten einen Beweis mangelnder Unabhängigkeit sehen, was für sie gleichbedeutend mit Inkompetenz und Unsicherheit ist.

Das Streben nach Freiheit
    Eine Frau erzählte mir von den Gründen, die zur Beendigung einer langjährigen Beziehung geführt hatten. Sie beschrieb eine wiederkehrende und zentrale Auseinandersetzung. Sie und ihr Freund hatten sich darauf geeinigt, dass beide frei wären, aber nichts tun wollten, was den anderen verletzen würde. Als der Mann anfing, mit anderen Frauen zu schlafen, protestierte sie. Er war wütend über ihre Proteste. Das typische Gespräch verlief folgendermaßen:
    Sie: Wie kannst du das tun, wenn du genau weißt, wie sehr du mich damit verletzt?
    Er: Wieso lässt du mir nicht meine Freiheit?
    Sie: Aber ich fühle mich schrecklich, wenn du es tust.
    Er: Du willst mich manipulieren.
    Auf einer bestimmten Ebene zeigt dieses Gespräch einfach eine Interessenkollision: Seine Wünsche und ihre Wünsche gerieten miteinander in Konflikt. Aber in einem grundsätzlicheren Sinn spiegelt die Auseinandersetzung die unterschiedliche Schwerpunktsetzung, die ich beschrieben habe. Dem Mann ging es bei seiner Argumentation in erster Linie um seine Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit. Der Frau ging es in erster Linie um gegenseitige Abhängigkeit – welche Gefühle seine Handlungen bei ihr auslösten. Er interpretierte ihr Beharren auf gegenseitiger Abhängigkeit als »Manipulation«: Sie benutzte ihre Gefühle, um sein Verhalten zu kontrollieren.
    Es geht hier nicht darum, dass Frauen keinen Wert auf Freiheit oder Männer keinen Wert auf Verbundenheit mit anderen legten. Es geht vielmehr darum, dass Männer in Beziehungen häufiger den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit thematisieren, während Frauen in Beziehungen oft stärker auf gegenseitige Abhängigkeit und Verbundenheit konzentriert sind. Es geht um Grad und Ausmaß einer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung.
    Catherine Kohler Riessman hat untersucht, wie Männer und Frauen über ihre Scheidung sprechen, und herausgefunden, dass sowohl Männer als auch Frauen ein größeres Maß an Freiheit als einen Vorteil ihrer Scheidung benennen. Doch der Begriff Freiheit hat unterschiedliche Bedeutungen für sie. Wenn Frauen erzählten, dass sie durch die Scheidung mehr Freiheit gewonnen hätten, meinten sie damit »Unabhängigkeit und Autonomie«. Sie empfanden es als Erleichterung, nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, wie der Partner auf ihr Verhalten reagieren würde, nicht mehr länger »auf einen muffigen Ehemann eingehen« zu müssen. Wenn Männer sagten, dass die Scheidung ihnen mehr Freiheit gegeben hätte, meinten sie Freiheit von Verpflichtungen  – weniger »Einengung«, weniger »Klaustrophobie« und weniger »Verantwortung«.
    Riessmans Ergebnisse machen deutlich, zu welch unterschiedlichen Belastungen das geschlechtsspezifische Beziehungsverständnis führt. Frauen fühlten sich durch die Scheidung von einer inneren Last befreit: von der dauernden Beschäftigung damit, wie ihre Ehemänner auf sie reagieren könnten und wie sie auf ihre Ehemänner reagieren sollten. Die Männer fühlten sich durch die Scheidung von einer Last befreit, die sie als von außen aufgebürdet betrachteten: befreit von den Verpflichtungen der Ernährerrolle und von der Einengung aufgezwungener Verhaltensvorschriften. Unabhängigkeit war für die von Riessman befragten Männer kein Geschenk der Scheidung, denn, wie ein Mann es formulierte: »Ich habe mich immer unabhängig gefühlt und jetzt wahrscheinlich noch mehr als vorher.«
    The Chronicle of Higher Education befragte sechs Universitätsprofessoren, warum sie sich für eine Lehrtätigkeit entschieden hätten. Vier der sechs Befragten waren Männer, zwei Frauen. Die Frauen gingen in ihren Antworten auf das Unterrichten ein: »Ich wollte schon immer Lehrerin werden.« Die andere sagte: »Seit meiner Schulzeit hatte ich den Wunsch, an der Universität zu arbeiten … ich erkannte, dass eine Lehrtätigkeit genau das Richtige für mich war.« Die Antworten der vier Männer wiesen viele Gemeinsamkeiten untereinander und wenig Gemeinsamkeiten mit den Antworten der Frauen auf. Alle vier Männer bezeichneten

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