Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Street nicht so weit südlich verlaufe. Sie wusste, dass das falsch war. Außerdem hatte sie sich inzwischen selbst orientiert. Aber statt zu sagen: »Ich bin mir aber ganz sicher.«, oder: »Vielen Dank, ich finde mich jetzt schon allein zurecht«, stellte sie die Situation so dar, als ob er ihr geholfen hätte. Sie fragte: »Wo geht es nach Westen?«, und entgegnete, nachdem sie die Auskunft erhalten hatte. »Vielen Dank. Ich halte mich einfach westlich.«
Was den reinen Informationsgewinn angeht, war diese Begegnung von Anfang bis Ende völlig absurd. Die Frau war nicht wirklich auf Hilfe angewiesen, und der Mann nicht in der Lage, sie zu gewähren. Doch der Informationsgewinn war nicht das Entscheidende. Die Frau hatte die allgemein übliche Methode, einen Fremden nach dem richtigen Weg zu fragen, nicht nur – und nicht hauptsächlich – benutzt, um nach der U-Bahn-Fahrt die Orientierung zu finden, sondern um sich wieder in den Menschenstrom der Großstadt einzureihen, indem sie einen flüchtigen Kontakt mit einem Passanten knüpfte. Um diesen Kontakt herzustellen, bat sie ganz automatisch um Hilfe.
»Ich helf dir, und wenn es dich umbringt«
Martha kaufte sich einen Computer und musste lernen, wie man damit umgeht. Nachdem sie das Handbuch studiert und einige Fortschritte gemacht hatte, gab es immer noch viele offene Fragen, also ging sie in das Geschäft, wo sie den Computer gekauft hatte, und bat um Hilfe. Der Mann, der sie beraten sollte, gab ihr das Gefühl, der dümmste Mensch auf der ganzen Welt zu sein. Er verwendete technische Fachausdrücke für seine Erklärungen, und jedes Mal, wenn Martha nachfragen musste, was ein bestimmter Ausdruck bedeutete, fühlte sie sich noch unfähiger und dieses Gefühl verstärkte sich durch den Tonfall, mit dem der Mann ihre Fragen beantwortete, ein Tonfall, der die Metamitteilung sendete: »Das ist doch völlig klar, das weiß doch wirklich jeder.« Er erklärte alles so schnell, dass sie es sich unmöglich merken konnte. Als sie nach Hause ging, stellte sie fest, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, was er ihr vorgeführt hatte, nicht mal an die Beispiele, bei denen sie seinen Erklärungen zeitweilig hatte folgen können.
Immer noch ratlos – und mit den schlimmsten Befürchtungen –, ging Martha in der nächsten Woche noch einmal in das Geschäft, entschlossen, so lange zu bleiben, bis sie die nötigen Informationen erhalten hatte. Aber diesmal wurde eine Frau mit der Aufgabe betraut, ihr zu helfen. Und Martha erlebte die Rolle der Ratsuchenden völlig anders. Die Frau vermied so weit wie möglich technische Fachausdrücke, und wenn sie doch einen benutzte, fragte sie, ob Martha mit der Bedeutung vertraut wäre, und erklärte den Begriff nötigenfalls mit einfachen und verständlichen Worten. Der Ton, mit dem die Frau Marthas Fragen beantwortete, implizierte nie, dass sie es eigentlich wissen sollte. Und als die Frau erklärte, wie bestimmte Funktionen ausgeführt werden, ließ sie es Martha selbst probieren, statt es einfach vorzuführen. Die andere Methode dieses »Lehrers« gab Martha das Gefühl, eine andere »Schülerin« zu sein: Sie fühlte sich klug und kompetent und nicht wie ein dummes Kind, das für seine Unwissenheit gedemütigt wird.
Sicher vermitteln nicht alle Männer ihre Kenntnisse auf eine Art und Weise, die ihre Schüler verwirrt und demütigt. Es gibt viele Lehrer, die begabt und außerdem männlich sind. Und nicht alle Frauen vermitteln ihre Kenntnisse auf eine Weise, die für Schüler leicht verständlich ist. Aber viele Frauen berichten von ähnlichen Erfahrungen wie Martha, vor allem, wenn es um Computer, Autos und andere technische Geräte geht; sie finden es angenehmer, wenn Frauen ihnen etwas erklären. Warum das so ist, wird vielleicht verständlich, wenn man sich die unterschiedlichen Bedeutungen des Helfens klarmacht. Wenn Frauen auf Bindung fixiert sind, dann wollen sie Unterschiede im Fachwissen minimieren und sich so verständlich wie möglich ausdrücken. Weil es ihnen darum geht, den Eindruck von Gleichheit und gleichem Status aufrechtzuerhalten, teilen sie ihr Wissen, denn das trägt zu einem ausgewogenen Verhältnis bei. Ihr Tonfall sendet Metamitteilungen von Unterstützung und nicht von Verachtung aus, obwohl »Unterstützung« auch wieder als herablassend erlebt werden kann.
Wenn ein Mann auf die Aushandlung von Status konzentriert ist und meint, einer müsse die Oberhand haben, findet er es wahrscheinlich
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